von Eckhard Mieder
Neulich kreuzte auf dem Main
Der Panzerkreuzer „Aurora“.
Unschicklich schob er sich und dreist
Von Höchst herein und legte an
Am Eisernen Steg und richtete
Sein Kanonenrohr gegen den Kaiserdom.
Dass dies die falsche Richtung sei,
Schrie da der erste Funker noch
Rechtzeitig, ehe die Granate brach
Ein in den Beton ringsum
Und richtete keinen größeren Schaden an
Im Stein der verpfuschten Stadt.
Und aus dem Römer zogen in
Zwei Reihen und im Gleichschritt die
Volksdeputierten dem Krach entgegen.
Wer da? Welch unerhörter Vorgang!
Ein Panzerboot auf dem Main?
Die Ohren gespitzt. Was will die Besatzung?
Was hören wir da? Ein Gelächter?
Wie’s anschwillt und wird zu einer Gewalt
Wie’s selten Ideen werden und wenn
Dann gehen sie schief oder unter oder
Wenden sich gegen die Köpfe
Die sie geboren haben törichten Geistes.
Am Ufer sammeln die Bürger sich
Und rufen nach dem Kapitän. Ihn
Hoch leben zu lassen oder ihn zu
Wässern im Fluss, bis er ächzt und
Den Atem verliert. Erstickt vom Jubel
Oder erwürgt vom Zorn, das Schicksal ist’s
Der Kapitäne. Doch er lässt sich nicht blicken.
Er fickt, indessen am Ufer sich mischen
Das Volk und seine Vertreter im Streit wie
Schon lange nicht mehr oder niemals zuvor,
Den Steward auf dem Kanapee in der Kajüte,
Von wo aus der Himmel zu sehn ist.
Es kurz zu machen: Es ergab sich nichts
Unvorhergesehenes. Nichts Überraschendes geschieht
In dieser Stadt. Noch die ärgste Krise bringt
Die Türme nicht zum Wanken, zwingt
Das Geld in die Knie nicht, was sollte es auch
Gebeugt in der Haltung der Demut der Gläubigen,
Es verlöre so seine Macht, es verlöre die Balance
Von Gier und Gier und fiele womöglich
Dem Lachen anheim. Dem Lachen? Welchem
Lachen denn? Dem Lachen, ich hör’s,
Das vom Heck her des Panzerkreuzers, der abdreht
In Richtung „Utopia“, weht wie eine Fahne.
Schlagwörter: Aurora, Eckhard Mieder, Frankfurt am Main, Panzerkreuzer