von Jürgen Fenn
Die Salamitaktik bei der Reform des SGB II wird fortgesetzt. Die Beiträge, die hierzu über das Wochenende erschienen sind, teilen den Betroffenen mit, bald werde ihnen das große Füllhorn von Frau von der Leyen zuteil. Nachdem die ausgezahlten Beträge schon mehrere Jahre hinweg viel zu niedrig waren, werde der Regelsatz für Erwachsene auf „bis zu 400 Euro“ angehoben. Nur der Evangelische Pressedienst schreibt, Kathrin Göring-Eckardt habe eine Anhebung auf 420 Euro monatlich gefordert. Kinder erhielten nach den Plänen der Bundesregierung keine höheren Sätze, heißt es, für sie gebe es nur Gutscheine für Bildungsleistungen.
Diese Pläne treffen zusammen mit dem Vorhaben, die öffentlichen Ausgaben für die Wohnungen von armen Menschen durch eine Pauschalierung des Anspruchs zusammenzustreichen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, darf man getrost davon ausgehen, daß die Erhöhung der Regelsätze vollständig für den Betrag aufgewendet werden müßte, der wiederum bei den Wohnungskosten fehlen würde. Mindestens. Pläne, nicht nur die Heizkostenzulage zum Wohngeld, sondern auch das Wohngeld insgesamt zu kürzen, wurden mittlerweile übrigens vom Bundesbauministerium dementiert. Die Proteste derjenigen besserverdienenden Vermieter, die sich von der FDP vertreten fühlen, waren wohl doch zu massiv. Sie möchten nicht nur weniger Steuern zahlen, sondern auch weiterhin einen Teil ihrer Mieteinnahmen aus der sicheren Staatskasse erhalten. Der Versuch, den Bund auf Kosten der Kommunen, die die Unterkunftskosten zu tragen haben, insoweit zu entlasten, wurde deshalb nicht weitergeführt.
Die jährliche Anpassung der Regelsätze soll nicht mehr an die Entwicklung der Renten, sondern an die Inflation und an die Lohnsteigerungsrate gekoppelt werden. Eine Anknüpfung an das Lohnniveau ist aber sachfremd und zudem ungenügend, denn die Regelsätze sollen von ihrer Zwecksetzung her gesehen einen Bedarf decken, deshalb müssen sie ausschließlich an die Preisentwicklung angebunden werden. Das gilt insbesondere in einem System der sozialen Sicherung, in dem es keine gesetzlichen Mindestlöhne gibt, denn hier markieren die Regelsätze das Minimum, das jedem die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen soll. Wenn die Linke die Koppelung der Regelsätze an Inflation und Lohnentwicklung also für gut befindet und wenn die SPD eine Anbindung ausschließlich an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten unterer Einkommensbezieher fordert, zeigen beide Parteien, daß auch ihr Ziel nicht ist, das soziokulturelle Minimum, dessen Gewährung von Verfassungs wegen geboten ist, sicherzustellen. Sie wollen lediglich im Bundesrat mitreden und sich wichtigtun. Insbesondere der SPD geht es dabei nicht um die Betroffenen, denn sie hatte ihre Lage durch die Einführung von Hartz IV bekanntlich erst herbeigeführt. Wenn sie sich jetzt geradezu als Robin Hood geriert, liegt sie völlig daneben.
Auch der Vorschlag, Kindern Gutscheine statt Geld auszuzahlen, ist ganz sicherlich abwegig. Die Betroffenen müßten sich in diesem Fall nämlich gegenüber Dritten als Hilfebedürftige outen, wenn sie diese Leistungen in Anspruch nehmen müßten. Das wäre nicht nur ein Verstoß gegen den Sozialdatenschutz, sondern es wäre auch unwürdig und würde einem Systemwechsel den Weg bahnen, der die Fürsorge überhaupt von Geldleistungen zu Sachleistungen umstellen könnte. Dagegen muß sehr dringend mobilisiert werden.
Es ist eine Zeit der Testballons, von Zuckerbrot und Peitsche. Die herrschende Mittelschicht demonstriert der ökonomischen Unterschicht, daß sie sie weiterhin in der Hand hat, sie zeigt die Folterwerkzeuge, und was dabei herauskommt, ist letztlich doch nichts anderes als ein immer lauteres Pfeifen im mittlerweile schon sehr dunklen Keller. Es wird Zeit, daß bald jemand das Licht einschaltet.
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