von Klaus Hammer
„Torso“, „Ariadne-Stele“, „Saale und Werra“, „Die Flut“, „Babi Jar“, „Alma Mater“, „Großer Fluss“, „Landschaft auf Naxos“, „Wegzeichen“, „Liegende Werra“, „Die Oder“, „Flußstein“, „Sitzende“, „Torso“, „Für Bobrowski“ – die Skulpturen des gebürtigen Thüringers Werner Stötzer, der in Weimar und Dresden studierte, 1954 nach Ost-Berlin übersiedelte und seit 1980 im Oderbruch ansässig war, erscheinen in großer Ruhe und zeitloser Dauer, im lastenden Gewicht des Materials und zugleich in schwebender, flüchtiger Leichtigkeit. Ein Gebirge, eine Felsmelodie von menschlicher Figur. Nicht mehr die vollplastische, runde Form interessierte den Bildhauer. Er verwendete die Steine so, wie sie aus dem Bruch kamen, spürte den Flächen nach, ließ Ecken, Kanten, Schnitte stehen. Dann wieder brach er den Stein auf, zerstörte das Vorgegebene. Denn – so Stötzer – „Zerstören ist am Stein nicht vernichten, in dieser Art zerstören liegt neu finden, abschlagen bedeutet Schichten zu erleben, Sprünge zu sehen und Grabungen zu folgen.“
Der von ihm bevorzugte Marmor ist ein durch seine Feinkörnigkeit, durch seine Struktur und Farbschattierungen auf eine stille Weise ungemein lebendiger, in seiner Sanftheit und seinem funkelnden Glanz dabei sehr edler Stein. So sind Stötzers Skulpturen mineralogischen und kristallinischen Formen verwandt, Körperspuren, die sich dem Stein aufprägen, die sich den Wachstumsformen der Natur einfügen. Sie lassen Archetypisches erkennen, verschmelzen Vorstellungen von archäologischem Relikt und formaler Neuschöpfung, von Organischem und Kristallinem, Durchformung und Raumoffenheit zu einer neuen Einheit.
Aus einem Fundstück entstand die „Gallionsfigur“ (Sandstein, 1998), eine Kniende mit über dem Rücken verschränkten Armen, die einer Karyatide gleicht. Die grafische Struktur auf dem Torso eines attischen Kriegers (Marmor, 1998) wird wie ein pulsierendes Kraftfeld erlebbar. Auf dem Körper der Michael-Kohlhaas-Stele (Marmor, 1998) sind mit dem Eisen scheinbar richtungslos Striche aufgetragen, sie wirken wie mit dem Pinsel getupft, wie ein sanftes Streicheln der Haut.
Torsohaft auch die Bronzen: Eine unterlebensgroße Undine in grüner Patina, in freier Figuration, halb Mensch, halb Elementargeist, ihren Körper wie ein Quell des Lebens darbietend, oder der „Prenzelberger Torso“, eine atmende Bronzefolie mit unmerklichen Hebungen und Senkungen, durch die sich schmerzvoll ein vertikaler Grat zieht. Dann wieder „Märkisches Tor“ (2006-2008, Sandstein) – zwei sich gegenüberstehende überlebensgroße blockhafte Stelen (das Figürliche ist nur angedeutet), sie halten mit erhobenem Arm Ausschau übers Land, Standfestigkeit und Blickweite andeutend. „Die Oder“ (2005-2008, Kalkstein), eine liegende Figur mit aufgestütztem Arm und angezogenem Bein, ist gleichsam zur schwimmenden Menschenbank geworden. Sie robbt dahin wie die Welle über Katarakte.
Die Natur, das Archaische, das Abstrahierend-Prozesshafte interessierte Stötzer in gleicher Weise. Er blieb sinnenhaft in der Abstraktion auch dort, wo die Figur zum Sinnbild von Natur wird. Unpathetisch sind seine Figuren, keine Gebärde geht ins Aus. Gelassen stehen sie gegen die Betriebsamkeit unserer Zeit. So wie Stötzer sich selbst treu geblieben ist, stetig und wandelbar, demonstrieren seine plastischen Sinnzeichen Würde und Haltung in einer existenziell bedrohten Welt.
Werner Stötzer ist am 22. Juli im Alter von 79 Jahren in Altlangsow (Landkreis Märkisch-Oderland) gestorben.
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