13. Jahrgang | Nummer 11 | 7. Juni 2010

Ernst Busch

von Thomas Behlert

Wenn Deutschland nicht so reaktionär und schwarz-gelb umrandet wäre, würde das Jahr 2010 zum Ernst-Busch-Jahr ausgerufen werden, seinen 110. Geburtstag feiern und am 8. Juni seinen 30. Todestag begehen. Einen kleinen Höhepunkt gibt es aber doch, nämlich ein neues Album mit bekannten Liedern. Am 22. Januar 1960 stand Ernst Busch nach längerem Schweigen wieder auf einer Bühne, um Songs aus 40 Jahren zum Besten zu geben. Der Anlaß war sein 60. Geburtstag, das Konzert fand vor 200 geladenen Gästen im Plenarsaal der Akademie der Künste statt. Man kann noch einmal hören, wie Ernst Busch in den zurück liegenden künstlerischen Jahren so drauf war: Er sang viele politisch motivierte Lieder, wie das „Stempellied“, die „Thälmannkolonne“ und das „Einheitsfrontlied“, aber auch die hinterfragende und mit beißendem Spott hantierende Muse kommt zum Vorschein, die durch den Tuchholsky-Liederzyklus, die der Komponist Hanns Eisler eigens für Busch komponiert hat, so richtig zum Tragen kommt. Interessant ist vor allem, daß manche Lieder nach so vielen Jahren aktuell und wahrhaftig sind. Man höre sich nur das „Seifenlied“ („Wir schlagen Schaum, / wir seifen ein, / wir waschen unsre Hände wieder rein…“) an, das in nur wenigen Minuten viel Wahrheit über die SPD berichtet, die lange vor dem Krieg in Jugoslawien und Hartz IV immer gerne die Arbeiterklasse verriet, indem sie für Krieg und Sozialabbau stimmte.
Ernst Busch der jetzt durch diese CD und durch die Biographie „Er rührte an den Schlaf der Welt“ (Aufbau Verlag), von Jochen Voit, gebührende Ehrung erhält, war zeit seines Lebens mehr als nur ein „Barde der Arbeiterklasse“, er war Schauspieler, wurde gerne von Intellektuellen gehört, sympathisierte mit den Kommunisten und sang ohne Gage, wenn für linke Projekte gesammelt wurde. Man muss ihn als ersten linksradikalen Popstar bezeichnen, den viele Frauen verehrten und sogar abgöttisch liebten. Gerne sang Ernst Busch die Lieder von Bert Brecht, Kurt Tucholsky und Robert Gilbert, wobei letzterer den Rühmann-Hit „Ein Freund, ein guter Freund“ verfaßte.
Nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren, floh der in Kiel geboren Künstler aus Deutschland ins Exil nach Holland, Belgien, Frankreich und nahm schließlich 1936 eine Einladung in die Sowjetunion an. Hier unternahm er mit Erich Weinert eine Tournee durch die Republik der Wolgadeutschen, sang in Leningrad und Moskau und nahm Schallplatten auf, unter anderem auch das „Lied der Moorsoldaten“. Danach präsentierte Busch Programme für die Spanienkämpfer an der Front, vor Verwundeten in Lazaretten und vor jüdischen Flüchtlingen. Schließlich rückten die Nazis immer näher und Ernst Busch versuchte weiter zu fliehen, wurde dann aber 1940 interniert und schließlich auf der Flucht in die Schweiz von den Nazihäschern gefangen genommen und am Volksgerichtshof wegen „Verbreitung des Kommunismus in Europa durch Gesangsvorträge“ angeklagt und im Zuchthaus Brandenburg festgesetzt. Nach der Befreiung durch die Soldaten der Roten Armee schuf Busch 1946 die „Lied der Zeit“ Schallplatten-Gesellschaft mbH mit den Labels Amiga und Eterna.
Eine Renaissance erlebte der Künstler in den 1968er Jahren, als die westdeutsche Jugend ihren Staat in Frage stellte und Demonstrationen und Antibewegungen mit radikaler Musik vermischten. Neben Jimi Hendrix, Franz-Josef Degenhardt und Bob Dylan hörte man vor allem Ernst Busch, der nun wieder ein Künstler sein konnte, der gegen etwas war.
Es ist schön, daß jetzt an Ernst Busch, an den Jahrhundertkünstler, erinnert wird. Vergessen soll man schnell die DSD-Stars, aber niemals ihn!

Ernst Busch, „1960 – Live in Berlin“, edel distribution
Jochen Voit, „Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch. Die Biographie“, Aufbau-Verlag, 360 Seiten, 24,95 Euro