13. Jahrgang | Nummer 8 | 26. April 2010

Über die Gefahr subtiler Ironie

von Margit van Ham

Ich zittere, bekomme kaum Luft, während ich versuche, mich festzukrallen. Dann kommt ein Schubs und ich falle mit gefühlter doppelter Newtonscher Geschwindigkeit ins Bodenlose. Mein Magen fällt noch etwas schneller. Ich traue mich nicht, die Augen zu öffnen, erwarte jeden Moment den harten Aufprall. Jemand schüttelt mich und ich erwache. Mein Mann guckt mich besorgt an, ich bin schweißnaß. In diesem Moment ist meine Entscheidung klar: Ich werde sofort nach dem Frühstück den Flughafen anrufen und meinen Fallschirmsprung absagen. Die Stornogebühren werde ich ohne ein Wimpernzucken zahlen. Und versuchen, meiner Freundin Astrid den Rückzieher zu erklären.

Nachdem das klar ist, trinke ich in aller Gemütsruhe meinen Kaffee. Beides ist mir wichtig – die Ruhe und der Kaffee. Mir ist peinlich bewußt, dass mich der Hang zu Ironie in diese Schwierigkeiten gestürzt hat. Mal wieder. Und meine Fehleinschätzung von Astrid. Daran war vielleicht der Alkohol schuld, den wir konsumiert hatten, als Astrid mich besuchte. Wir klönten und klönten, und leerten in bester Stimmung eine Flasche Wein. Bevor sie ging, überlegten wir, wann wir uns wieder treffen könnten, diesmal zu viert – mit den Männern. Ich schlug vor, im Mai ein Wochenende auf unserer Datsche zu verbringen. Astrid stimmte begeistert zu, studierte ihren übervollen Kalender. Wir einigten uns auf den einzigen freien Samstag, den sie noch fand. Dann gingen unsere Vorstellungen allerdings weit auseinander.

Das heißt, ich kam nicht wirklich dazu, meine zu äußern. Ich hatte so an gemütliches Abhängen im Liegestuhl gedacht, kleine Wanderung im nahegelegenen Wald, Wein, Schwatzen, Lagerfeuer… Aber Astrid war jetzt im Planungsrausch – und ich überrollt. Wie hatte ich nur vergessen können, dass Astrids zweiter Name Energie war, deren Meßlinien sich umgekehrt proportional zu den meinen verhielten. Ich hatte einen dieser ungemütlichen Momente, in denen ich statt in meinen properen Fünfzigern mindestens neunzig war, schlapp wie ein nasser Waschlappen.

„Also“, setzte Astrid an, und bei ihrem „also“ begann ich schon Arges zu fürchten. „Wir könnten so gegen neun bei euch sein, dann starten wir mit einer kleinen Radwanderung nach Templin.“ Ich brachte kein Wort heraus, dachte nur an meine wackligen Versuche, mich auf einem Fahrrad zu halten. „Sind doch nur 30 km“, beschwichtigte Astrid meinen erschrockenen Blick. Ich nickte tonlos, klar nur 30 km. „Unterwegs könnten wir sehen, ob die Galerie in Zehdenick aufhat.“ Wenigstens eine kleine Pause, schöpfte ich Hoffnung. Aber Astrid überlegte schon weiter: „In Templin gehen wir in die Therme, schwimmen ein bißchen.“ Das Wort Sauna schwebte durch meinen Kopf. Astrid muß das gespürt haben, denn der Vorschlag wurde abgewinkt, bevor ich ihn aussprechen konnte: „Ach nee, da sitzt man ja nur so rum. Wir könnten noch um den See laufen, dann macht das Schwimmen viel mehr Spaß. Oder paddeln?“ Astrid dachte nach, hielt diese Entscheidung dann aber offen. Dafür hatte sie eine weitere Idee: „Wir fahren bei Heike und Ingo vorbei, die hatten gefragt, ob wir ihnen nicht helfen könnten, den neuen Zaun aufzubauen. Zu sechst geht das ratz-fatz und Heike backt sicher ihren Quarkkuchen.“

Ich räusperte mich, um zu sagen, daß das alles doch etwas viel sein würde für einen Tag und ich außerdem weder Heike noch Quarkkuchen ausstehen könne. Aber ich kam nicht dazu, Astrid verplante bereits die nächsten Stunden: „Abends könnten wir durch ein paar Kneipen ziehen. Ich kenne eine, die macht richtig gute Cocktails.“ Innerlich am Boden liegend, schlug ich schließlich mit Ironie zurück: „Wir haben ja noch etwas Zeit zwischendurch“, behauptete ich, verzweifelt grinsend. „Warum buchen wir nicht noch in Gransee einen Fallschirmsprung?“ Das war ganz offensichtlich ein Fehler: „Super, Wahnsinnsidee! Da hätte ich auch selbst drauf kommen können.“ Sie zückte ihr IPhone, das leider funktionierte wie in der Werbung und sofort Adresse und Telefonnummer fand. Astrid strahlte mich an und buchte. Meine Ironie muß zu subtil gewesen sein. Beim nächsten Mal schlage ich einen Ausflug auf Hexenbesen vor.