von Henryk Goldberg
Na gut, bißchen albern sieht das schon aus. Bunter Helm, buntes Trikot, bunte Schuhe, bunte Handschuhe, buntes Rad, gerne auch bunte Hose, womöglichbunte Trinkflasche und dto. Sonnenbrille. Das Leben, schließlich, ist bunt, radeln ist leben. Nur, daß es ab einem gewissen Alter und einer gewissen Gewichtsklasse irgendwie von eingegrenztem Chic ist. Gut, man kann so viel als möglich in Schwarz nehmen und sich so als radelnder Intellektueller präsentieren, aber eine Art von Anmaßung bleibt es doch. Aber das muß man ignorieren. Ignorieren, daß die Jungs, die die Tour de France fahren und Paris-Roubaix aus der Distanz, aber nur von dort, so ziemlich genauso aussehen. Der Unterschied ist, daß die anderen Burschen die im Übrigen viel mehr Zeit zum Trainieren haben! die Tour tatsächlich fahren können. Zwar, wer leidenschaftlich joggt, wie heute Fräulein G. und Fräulein Dr. M. auf dem Rennsteig, der gibt auch sehr viel Geld aus fürs Equipment, aber das sieht man nicht so. Und dass die Räder der Profis so runde 10 000 Euro teurer sind als die von unsereinem, das sieht man auch nicht. Aber man merkt es.
Hinter Riethnordhausen zum Beispiel, das ist bei Erfurt, Thüringen, den Anstieg gerade geschafft, die 6 Kilometer bis Walschleben volles Rohr. Es macht Piff! Oder Paff!, also es knallt, und während ich nachdenklich diesem Geräusch nachhänge, rumpelt die Felge übers den Asphalt. Scheiße! artikuliert sich spontan die Gefühlslage, aber kein Problem. Pannenspray, tolle Erfindung, flickt und pumpt. Ich setze die Dose an, ich drücke ab. Es macht Piff! oder Paff!. Wie gesagt, Scheiße. Ich wechsele den Reifen, das dauert bei unsereinem, ich setze die Kohlendioxid-Pumpe an, tolle Erfindung, ich drücke ab. Richtig, Piff! oder Paff!. Ich wechsele den Reifen ein zweites mal, ich nehme die kleine Handpumpe, keine so tolle Erfindung, 20, 30 Stöße und na, Sie wissen schon. Ich habe nun keine Reifen mehr, nur noch ein Handy, damit rufe ich eine Taxe aus Erfurt. Eine wirklich preiswerte Lösung ist das nicht.
Neue Reifen kaufen, die nächste Tour findet mit Herrn K. statt, der war mal Dritter der Friedensfahrt, der richtigen. Herr K. hat dort Teamgeist gelernt, deshalb wechselt er mir auf dieser Tour Piff! Paff! den Reifen, er kann nicht nur schneller fahren. Er tut es Piff! Paff! , noch weitere zwei male an diesem Tag und zeigt Anzeichen von Nervosität. Den dritten Reifen leiht mir Herr T., der war mal DDR-Meister und versteht auch was davon. Weil Ihr alle keine Ahnung habt! nölt Herr A. mürrisch, weil er schon wieder warten muß. Das ist nicht normal, verkündet Herr K. sein Fachurteil, Herr T. nickt dazu , und ich solle kommenden Tages mal in sein Fachgeschäft kommen. Ich komme, Herr K. feilt hier einen Grat weg, entfernt da ein Stäubchen und verkauft mir einen erstklassigen neuen Mantel, pannenresistent. Ich bedanke mich, lege das Rad in der Kofferraum und gehe den dienstlichen Obliegenheiten nach. Am Abend zu Hause öffne ich den Kofferraum. Nein, es herrscht Stille. Der Reifen ist schon platt, und ich bin es jetzt auch, mentalmäßig gesehen. Es war, findet Herr K. später raus, das Felgenband.
Aber im Prinzip macht radeln schon Spaß. Im Prinzip, aber vielleicht nicht an diesem Wochenende, nicht, wenn die Niederschlagswahrscheinlichkeit jenseits der 80 Prozent liegt. Aber der Kollege M., harter Knochen und das und junger Kerl, kaum 58, kennt kein Erbarmen und niemand hat schließlich je behauptet, daß Rennradfahren Spaß machen soll. Das hat auch mit Gesundheit nicht wirklich zu tun, das ist, jenseits der 50, Teil eines Kompensationssyndroms. Und die alte Volksweisheit je oller so doller trifft auch hier zu. Allerdings, sie gilt für den Schmerz. Das Glück findet im Kopf statt.
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