von Nikita Specht
Daß die Linkspartei in gewisser Hinsicht nichts anderes darstellt als eine umgetaufte USPD, dünkt vielen ein offenes Geheimnis. Spätestens durch die Vereinigung von PDS und WASG im Jahre 2007 hat sich der programmatische Anteil der Sozialdemokratie in dieser Partei signifikant erhöht. Ein solcher Anteil war allerdings schon vorher auch in der PDS präsent. Welche Funktion könnte so eine USPD in der heutigen deutschen Politiklandschaft haben? Die Antworten müßten wahrscheinlich jenseits gängiger Klischees und veröffentlichter Stellungnahmen gesucht werden.
Die Funktionen der Vorgängerparteien waren eindeutig bestimmt. Die PDS bezog ihre Anziehungskraft aus den desaströsen Resultaten der Abschaffung der DDR und fing Wendeverlierer, „unverbesserliche“ Weltveränderer sowie die politische Dienstklasse der DDR, die maßgeblich an der Auflösung des Staatssozialismus mitgearbeitet hatte, mit dem Angebot ein, eine politische Heimat jenseits der westdeutsch geprägten politischen Kultur zu finden. Die Integrationsleistung der PDS für die Bundesrepublik kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihre Existenz verhinderte die Etablierung einer großen rechtsradikalen Partei mit einem Stimmenpotential von bis zu 30 Prozent im Osten. Sie ließ darüber hinaus die mißachteten früheren DDR-Kader im demokratischen System ankommen. Und sie trieb nicht zuletzt auch noch den Resten der Vertreter einer deutschen Alternative zum Kapitalismus das revolutionäre Gedankengut aus. Warum das westdeutsche Establishment der PDS dafür immer noch kein Kerzlein ins Fenster gestellt hat, ist schleierhaft.
Auch die Funktion der WASG war klar. Der Protest gegen die praktische Politik der SPD verband sich mit dem Willen, sozialdemokratische Positionen außerhalb der SPD zu artikulieren und wieder tragfähig für die Politik zu machen. Das absolute Versagen der SPD vor den Zumutungen der letzten kapitalistischen Akkumulation erzeugte eine Gegenbewegung außerhalb der SPD, die aber nichtsdestotrotz überwiegend sozialdemokratische Züge trug.
Wer den Vereinigungsprozeß zur Linkspartei verstehen möchte, müßte sich diese Situation vergegenwärtigen. Jener Prozeß basiert in seinem Kern auf klassischen sozialdemokratischen Vorstellungen, und es fehlt demzufolge auch nicht an Versuchen, den theoretischen Hintergrund (Marx), so er denn noch vorhanden ist, mit einem praktischen Reformismus (á la Bernstein), der dominant vorhanden ist, zu verbinden. Das Ganze nennt sich dann „radikale Reformpolitik“ und ist genauso eine logische Unmöglichkeit wie „friedliche Revolution“. Interessant ist, daß es zwischen dem verbalradikalen Anspruch zum Systemwechsel und der praktischen Ausübung in den parlamentarischen Handlungen einen fundamentalen Widerspruch gibt, der mit Macht früher oder später zu einer Lösung führen muß. Die Festlegung auf eine Programmatik wirkt da nur störend, ihr Fehlen ist aber natürlich auch Kalkül. Am deutlichsten wird das im Namen der Partei, der nichts weiter illustriert als die Sicht im Parlament, vom Präsidium aus betrachtet.
Die heutige Funktion einer „USPD-Linkspartei“ besteht darin, das komplette sozialdemokratische Gedankengut, also die Einhegung des Kapitalismus mit demokratischen Mitteln, zu absorbieren. Wo eine solche Einhegung durch die Beschränktheit der bürgerlichen Demokratie nicht zustande kommen kann, wird sie unterlassen. Der PDS-Teil der Linkspartei wird so stark eingebunden, daß er keine Eigenständigkeit mehr wiederherstellen kann. Vieles deutet daraufhin, daß die Linke in durchaus absehbarer Zeit mit der SPD wiedervereinigt werden könnte. Dann gibt es die Rache der Geschichte für zwei sozialdemokratische Vereinigungen: für die von 1920 zwischen der Mehrheit der USPD und der KPD und für die von 1946 zwischen KPD und SPD, die paradoxerweise beide Male mit politischen Niederlagen für den Apparat der SPD endeten.
Allerdings wäre zu fragen, ob so eine Art Weg zurück zur SPD nicht letztlich derjenige zurück zur formierten Gesellschaft der alten Bundesrepublik würde, in der dann linksalternative politische Vorstellungen ohne Stimme und damit ohne Gewicht blieben. Doch im Gegensatz zur verbreiteten Meinung von den um Publizität bemühten Tarotkartenlesern ist diese Tendenz nahezu unabhängig von Personalstrukturen.Die etablierten politischen Kreise erkennen, daß Ausgrenzung nichts hilft, aber Integration (und damit Überflüssigmachen!) hingegen alles ist. Manche in dieser Partei DIE LINKE jedenfalls scheinen das so zu sehen, andere arbeiten mit Macht an der Selbstauflösung.
Wenn also so eine derartige „USPD-Linkspartei“ gedächte, langfristig autonome politische Kraft zu bleiben, müßte sie sich vermutlich ihre Heterogenität bewahren; den Widerstreit linker Strömungen, den sie in der Regel immer für Schwäche hält (und der ihr auch als solche ausgelegt wird), müßte sie nicht beklagen, sondern als ihren Vorzug herausstellen. Sie müßte die noch ausstehende Programmdebatte dazu nutzen, um Systemveränderungen nicht nur verbal anzumahnen, sondern als konkrete Zielvorgabe festzuschreiben und diese dann mit praktischen Vorschlägen untermauern. Und sie könnte drittens dafür sorgen, daß tatsächlich hierzulande alle emanzipatorischen Kräfte unter einem Dach vereinigt werden – mit einer einheitlichen Organisationsform nach außen, ohne die wirkliche Veränderungen nun einmal nichts werden.
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