von Katharina Kaaden
Sie hängen wieder. Oder stehen an der Ecke. Spitzenköpfe der Parteien – aufpolierter, verjüngter und geschönter als vormals. Alle Widersprüche weggebügelt. Woran erinnert uns das nur?
Im Vorfeld des Wahlkampfes stöhnen Werbeagenturen, wenn Parteizentralen wenig Inhalt liefern.
»Tja, Leute, das ist nicht viel. Klingt relativ gleich, oder? Überhaupt – hatten wir das nicht schon? Jaja, nönö, jedenfalls nicht letztes Mal. Hat irgendeiner ’ne Idee oder einen witzigen Slogan? Nicht wirklich.« Prima, das halten wir jetzt genau so fest. (Merke: Jedes schnöde »Nein« wird abgemildert und freundlicher präsentiert, wenn man es anmutiger formuliert – ein wenig hoffnungsvoller. »Nicht wirklich« imaginiert, man wäre von der Idee nur noch ein Mü entfernt.) Weiter im Brainstorming. »Werbestrategisch wissen wir (und die Parteien noch viel besser, haha): Je dünner die Suppe, desto nobler das Geschirr, in dem sie serviert werden muß. Wenn schon kein Inhalt, muß die Form stimmen, gannnnz wichtig! Der Blick zum Nachbarn ist immer ein heißer Tip. Da sieht man gleich, wie man es nicht machen darf oder wahlweise genau so. Notfalls gilt: Nicht so am Fakt hängen, wichtig ist die Anmutung! Rauskommen muß jedenfalls: Wir sind anders! Natürlich besser.«
So oder ähnlich lief es in der Vergangenheit. In etwa jedenfalls. Ganz anders im Wahlkampf 2009. Es muß in der Werbeindustrie völlig unmerklich etwas vor sich gegangen sein, eine Art »Schulterschluß« hat stattgefunden, ohne daß die Öffentlichkeit davon Wind bekam. Haben die Parteien endlich eingesehen, daß sich ihre Programme und Methoden kaum voneinander unterscheiden und konsequenterweise, nicht zuletzt steuergeldsparend, alles in eine Agentur gegeben?
Wodurch sonst ist zu erklären, daß alle Parteien ihre Großkopferten als eine Art Barbypuppe präsentieren? Wie erklärt sich das deckungsgleiche Vorgehen? (Okay, da gab’s den einen oder anderen Side-Step. Ein neckischer Augenaufschlag kombiniert mit dem Leitmotto »Arsch und Titten gehen immer« – hatte in der Tat mehr zu bieten. An Blödheit. Da gähnen wir lieber über die ach so lustigen Suchbilder von Ströbele und erkennen klar: Der Zeichner hatte sich offenbar gut eingearbeitet, da konnte man kostengünstig nachlegen.) Aber zurück zu den Funny Faces. Wächst ganz schön was nach an Bildbearbeitungsmöglichkeiten innerhalb einer Legsislaturperiode. Teuer ist das Zeug außerdem. Da wollen Agenturen auch zeigen, was machbar ist. Aber erklärt es auch diese konzertierte Aktion? Von wem wurde sie gesteuert? Moskau scheidet aus, oder?
Apropos: Welch vertane Chance für die Linken! Wie anders und authentisch hätten sie sich präsentieren können – mit Falten, hängenden Mundwinkeln und Hängebäckchen. Gesichter, aus denen gelebtes Leben spricht, hätten sie uns präsentieren können, und dem Wähler sagen »Hier stehen wir, wir sind nicht anders.« Wenn ihnen schon der Witz der Vergangenheit abhanden kam, weshalb nun auch noch dieses letzte bißchen Wahrhaftigkeit? Oder ist das wieder so ein Auf-Augenhöhe-Ding? Wollen sie so sehr dazugehören, daß auch sie auf rosarotes Fotoshop-Lifting bis zur Lächerlichkeit bauen? Schau mir in die Augen, Kleines … Der bildgewordene Wahlbetrug schon vorab. Ganz ohne Worte! Das immerhin ist neu. Soviel Täuschung war nie.
Bei (noch) näherer Betrachtung könnte man allerdings stutzig werden: Moment mal, von wegen Täuschung, soviel Mut zu Ehrlichkeit war nie! Wir müssen es wahrscheinlich als eine Art höherer Dialektik sehen … Diese Schelme! Einfach genial: Politiker aller Parteien, vereinigt Euch! Seht aus wie Eure Wahlversprechen – geglättet, aufpoliert und geschönt. Was drauf ist, ist auch drin: schöne Illusionen. Man sollte die Werbestrategen nicht unterschätzen.
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