von Peter Petras
Bei den Kriegseinsätzen der israelischen Armee gegen den Gazastreifen (2009) und im Südlibanon (2006) wurden Waffensysteme eingesetzt, die auch Komponenten aus Deutschland enthalten.
Die Geschichte der Zusammenarbeit begann bereits Anfang der fünfziger Jahre. Allgemein wurde das »LuxemburgerAbkommen« nicht nur als Beginn der Beziehungen zu Israel, sondern als »Eintrittskarte« der BRD in das Bündnissystem des Westens angesehen. Bundeskanzler Konrad Adenauer, der israelische Außenminister Moshe Sharett und der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und Vorsitzende der Jewish Claims Conference, Nachum Goldmann, unterzeichneten es am 10. September 1952: die BRD zahlte an Israel eine globale Entschädigung in Höhe von drei Milliarden DM und an die Organisation der jüdischen Diaspora 450 Millionen DM. Die Höhe dieser Wiedergutmachung war Ergebnis eines Feilschens um Tote und Flüchtlinge, um »Eingliederungskosten«, »erbenlose Ansprüche« und die Leistungsfähigkeit der BRD-Wirtschaft, bei dem sich Adenauer von Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank hatte beraten lassen, der in der NS-Zeit als Experte für »Arisierung« und die Neuordnung des Finanzwesens in den von Deutschland besetzten Gebieten Erfahrungen gesammelt hatte. Aus der Sicht des israelischen Historikers Moshe Zuckermann hatte dieses Abkommen mit Moral »nur in einem zynischen ideologischen Sinne etwas zu tun. Denn was auf der Tagesordnung stand, war die im Rahmen des ausgebrochenen Kalten Krieges zu befestigende Neuordnung der Welt und die mit dieser Weltteilung einhergehende Ortsbestimmung Deutschlands«. Diese Beziehungen hatten »nichts mit Moral zu tun, sondern nur mit ihrer Ideologisierung und der Verdinglichung von Schuld, Schande und Scham durchs Tauschprinzip, das tendenziell alles austauschbar werden läßt« (»junge Welt«, 29. November 2008).
Am 14. März 1960 fand im New Yorker Hotel Waldorf Astoria das historische Treffen zwischen Adenauer und dem israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion statt. Diplomatische Beziehungen zwischen der BRD und Israel wurden nicht, wie erwartet, aufgenommen, weil Adenauer befürchtete, die arabischen Staaten würden dann die DDR anerkennen – es war noch die Zeit der »Hallstein-Doktrin«. Als Entschädigung dafür sagte Adenauer Wirtschaftskredite – bis 1966 wurden 629 Millionen DM gezahlt – und Waffenlieferungen zu. Anfang Juni 1962 trug Verteidigungsminister Shimon Peres in Bonn eine lange Liste mit Wünschen vor: Schnellboote, U-Boote, Hubschrauber, Transportflugzeuge, Haubitzen, Flakgeschütze und anderes mehr. Nicht alles wurde realisiert. Doch bis Mai 1966 wurden an Israel kostenfrei Waffen im Wert von 194 Millionen DM geliefert, darunter Panzer und Hubschrauber, und weitere Zahlungen in Höhe von 140 Millionen geleistet – als Abfindung, weil im Zusammenhang mit der Nahost-Krise Panzerlieferungen nicht in vollem Umfang erfolgt waren. Die Waffenlieferungen fanden unter strengster Geheimhaltung statt und wurden in aller Regel durch die Geheimdienste BND und Mossad koordiniert. Aus der Sicht der deutschen Bundesregierung waren die Beziehungen zu Israel zugleich eine Art Entschuldung – niemand redete mehr über all die Nazis in führenden Stellungen.
Die Waffenlieferungen wurden nach der 1965 erfolgten Aufnahme diplomatischer Beziehungen fortgesetzt und schließlich zu einer Kooperation im Rüstungsbereich ausgebaut. Bei den heutigen Kriegseinsätzen Israels kommt in allen drei Waffengattungen deutsche Technik zur Anwendung. Bei der Bodenoffensive kommen die Kampfpanzer »Merkava 3« und »Merkava 4« zum Einsatz. Stabilisierungselektronik deutscher Produktion ermöglicht es, auch bei voller Fahrt in unebenem Gelände präzise zu feuern; Kanonenrohre und Panzerung kommen aus deutschen Lieferungen oder Lizenzproduktion. Viele dieser Komponenten wurden für den deutschen Panzer »Leopard 2« entwickelt. Der »Merkava 4« wird von einem Dieselmotor der MTU Friedrichshafen angetrieben. Zusätzlich hat Israel die Lieferung des gepanzerten, leicht bewaffneten Transportfahrzeuges »Dingo 2« beantragt. Dieses Fahrzeug wurde von der Bundeswehr für die Aufstandsbekämpfung in asymmetrischen Konfliktsituationen entwickelt und wird zur Zeit in Kosovo und Afghanistan eingesetzt. Die Angaben über die israelische Bestellung schwanken zwischen hundert und 150; das erste Testexemplar wurde 2006 geliefert.
Die israelische Luftwaffe verwendet in den F-16-Kampflugzeugen und Kampfhubschraubern des Typs »Apache« deutsche Infrarotmodule zur Zielerfassung. Korvetten und Schnellboote der israelischen Marine sind in der Regel mit Dieselmotoren deutscher Produktion ausgestattet. Die ersten drei U-Boote deutscher Lizenz erhielt 1srael in den siebziger Jahren aus britischen Werften. Vor zehn Jahren wurden direkt aus deutscher Produktion drei U-Boote der neuen Klasse »Delphin« geliefert, 1999 zwei im Wert von 936 Millionen DM und 2000 eines im Wert von 347 Millionen DM. Die Kosten für diese drei U-Boote wurden zu achtzig Prozent aus dem deutschen Bundeshaushalt getragen. Wie aus einem Bericht von Amnesty International USA vom Februar 2009 hervorgeht, ist diese Lieferung besonders brisant, weil davon auszugehen ist, daß diese Dolphin-U-Boote für den Abschuß von Raketen, die mit Atomsprengköpfen versehen sind, umgerüstet werden können. Im Jahre 2006 wurden Verträge über die Lieferung von zwei weiteren Dolphin-U-Booten unterzeichnet, mit der Option für ein drittes. Während die ersten drei noch den herkömmlichen dieselelektrischen Antrieb hatten, verfügen die neuen, die 2012 beziehungsweise 2013 ausgeliefert werden sollen, über den weiterentwickelten superleisen Brennstoffzellenantrieb. Damit kann ein solches Boot bis zu drei Wochen ununterbrochen unter Wasser bleiben und gilt außerhalb der NATO als nicht zu orten.
Wenn sich die Kriegsschraube im Nahen Osten weiterdreht, ist Deutschland auf alle Fälle dabei. Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat beim Besuch des USA-Präsidenten, Barack Obama, in Dresden, nach seiner Rede in Kairo, noch einmal bekräftigt, daß die Unterstützung für die Sicherheit Israels »Staatsräson für jede deutsche Bundesregierung« sei. Sie sagte nicht, für welches Israel in welchen Grenzen. Die Unterstützung für Obamas Position, daß für die Zwei-Staaten-Lösung auch Israel Kompromisse machen und zunächst den Siedlungsbau stoppen müsse, fiel eher verhalten aus. Es ist nicht gesagt, daß eine Politik der USA, die auf die rechte israelische Regierung im Sinne des Friedens Druck ausüben würde, von dieser deutschen Regierung unterstützt würde. Aber die deutschen Waffen werden die traditionell herausragende Rolle der USA für Israel nicht so ersetzen können, daß sich Netanjahu und Liebermann längerfristig gegen die Politik der US-Regierung stellen können.
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