von Thomas Dudek
Es sollte eine Gala werden, die im April von »TVP Kultura« ausgestrahlte Verleihung der »Kulturgarantie«. Doch Preisträger Wilhelm Sasnal, Polens bekanntester Maler der jüngeren Generation, sorgte bei der Veranstaltung für einen Eklat. Wegen der aktuellen Situation beim polnischen Staatsfernsehen TVP weigerte sich Sasnal den prestigeträchtigen Preis persönlich entgegenzunehmen. »Es war eine staatsbürgerliche Geste«, begründete der Künstler tags darauf in einem Interview für die Gazeta Wyborcza seine Entscheidung.
Sasnal ist nicht der erste polnische Kuntschaffende, der auf diese oder ähnliche Weise gegen die aktuelle Entwicklung bei TVP protestierte. Anfang April rief der Filmregisseur Krzysztof Krauze, unterstützt von unzähligen Kollegen, darunter dem Oscar-Preisträger Andrzej Wajda, der Regisseurin Agnieszka Holland sowie dem letzten noch lebenden Anführer des Warschauer Ghetto-Aufstands, Marek Edelman, zum Boykott der öffentlich-rechtlichen Anstalt am 3. Mai auf, dem polnischen Nationalfeiertag.
Anlaß für diese Proteste und Boykottaufrufe ist eine politische Altlast der Kaczyński-Ära. Im Mai 2006 wurde der damals 28jährige Piotr Farfał, der politisch der nationalkonservativen Liga Polnischer Familien (LPR) nahesteht, als Zugeständnis an den Koalitionspartner zum stellvertretenden TVP-Direktor ernannt. Eine Position, die der Jurist auch nach der Wahlniederlage der damaligen Regierung vor zwei Jahren behalten konnte. Die PiS und ihre Koalitionspartner machten es mit ihrem Mediengesetz der jetzigen Regierung unmöglich, Einfluß auf die Personalpolitik bei TVP zu nehmen.
Doch Kaczyński und seine Partei bedauern mittlerweile, für dieses Gesetz verantwortlich zu sein. Denn die ehemaligen Koalitionäre Liga Polnischer Familien und Bauernpartei Samoobrona, inzwischen beide nicht mehr im Sejm vertreten, aber dafür im Aufsichtsrat des Staatsfernsehens, revoltierten gegen die PiS. Im Dezember vergangenen Jahres entließ der Aufsichtsrat der öffentlich-rechtlichen Anstalt den damaligen Direktor Andrzej Urbański, einen Kaczyński-Mann, und ernannte Piotr Farfał zu seinem kommissarischen Nachfolger.
Eine Entscheidung, die wegen Farfałs politischer Vergangenheit mehr als kontrovers ist. Bereits im Sommer 2006 wurde publik, daß der aus dem niederschlesischen Glogow (Glogau) stammende Jurist in seiner Jugend Herausgeber des Heftchens Front war. »Wir tolerieren keine Feiglinge, Denunzianten und Juden«, schrieb Farfał bereits mit 17 in dem Blatt, das sich bei örtlichen Neonazis und Skinheads großer Beliebtheit erfreute. Politische Ansichten, die der heute Dreißigjährige auch noch während seines Jurastudiums in anderen rechtsradikalen Publikationen vertrat.
Heute stellt sich Farfał dagegen als ein überzeugter Demokrat konservativer Prägung dar. In mehreren Zeitungsinterviews rühmt er sich, der erste TVP-Direktor seit Jahren zu sein, der die öffentlich-rechtliche Anstalt nicht zu einem Parteiorgan, sondern zu einem pluralistischen Medium gemacht hat. Eine Behauptung, die jedoch nichts mit der Realität zu tun hat.
Gleich in den ersten Tages seiner Amtszeit besetzte Farfał alle Schlüsselpositionen des Senders mit Politikern der LPR und Mitgliedern der ihr nahestehenden Allpolnischen Jugend. Eine Umstrukturierung, die sich im Programm der Anstalt bemerkbar machte. TVP ist der einzige Sender, der während des Europawahlkampfs ausführlich über den polnischen Ableger der Libertas, inklusive eines Interviews mit deren Gründer Declan Ganley, berichtete. Als die zweite politische Kraft, nach der regierenden Bürgerplattform von Premierminister Donald Tusk, wurde die Gruppierung, für die LPR-Politiker bei den Europawahlen antraten, im polnischen Staatsfernsehen dargestellt. Journalisten, die solch eine Berichterstattung kritisierten, wurden, wie zuletzt die bekannte Nachrichtensprecherin Hama Lis, fristlos entlassen.
Wann die Ära Piotr Farfałs bei TVP endet, ist offen. Die Regierung von Donald Tusk hat zwar im Mai ein neues Mediengesetz erarbeitet und im Sejm durchgesetzt, doch Präsident Lech Kaczyński will ein Veto gegen die Parlamentsentscheidung einlegen.
Die Abschaffung der Rundfunkgebühren, die das neue Mediengesetz vorsieht, stößt bei dem Staatsoberhaupt auf Kritik. Wie auch viele Künstler befürchtet auch Kaczyński einen zu großen Einfluß der Regierung auf das TVP-Programm. So kann Piotr Farfał weiter bei TVP schalten und walten, mit mittlerweile internationalen Konsequenzen. Wegen Farfałs rechtsradikaler Vergangenheit hat bereits der deutsch-französische Sender ARTE die Zusammenarbeit mit TVP ausgesetzt. Und weitere könnten hinzukommen. Bei der »INPUT«, einer internationalen Konferenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, nannte er die diesjährigen Gastgeber »schwarze Affen«
PS.: Am 3. Juli wurde Piotr Farfał vom TVP-Aufsichtsrat suspendiert und das frühere Vorstandsmitglied Slawomir Siwek zu seinem Nachfolger ernannt. Farfał bezeichnete seine Absetzung als illegal und drohte dem Aufsichtsrat mit einer Strafanzeige.
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