Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 8. Dezember 2008, Heft 25

Global-Effizienz

von Helmut Höge

Immer wieder hört man, daß bei kaputter Beleuchtung der Hausmeister, und das betrifft auch mich mitunter, nicht schnell genug reagiert. Hier deswegen ein Hinweis, wie es die Amerikaner machen, vielleicht kann man daraus lernen:
Auf dem Opel-Gelände in Rüsselsheim ist im Büro des Betriebsrats Klaus Franz eine Neonröhre kaputt. Klaus Franz greift daraufhin zum Telefon und läßt sich mit der Zentrale verbinden, die unten im selben Bürokomplex sitzt. Das kann man noch nachvollziehen.
Da es sich bei Opel aber um ein Tochterunternehmen des US-Konzerns General Motors (liebevoll GM genannt) handelt, verbindet die Telefonzentrale Klaus Franz mit der Konzerntelefonzentrale, die aus einem outgesourcten Call Center in Detroit besteht. Von dort wird der Auftrag weitergeleitet an das »World-Wide-Facility Management«, von dem man hier nicht genau weiß, wo es überall domiziliert ist, auf alle Fälle ist GM sehr stolz darauf: Es wurde im Zuge des Konzernprogramms »Transparent Management« eingerichtet und wird derzeit von Mr. Kamesh Gupta geleitet. Diesem Patrioten liegt besonders der indische Markt am Herzen, und den kennt er auch gut, ebenso die schlechten und oftmals unsicheren indischen Straßen. Von da aus hat er deswegen die Order für sein GM-World-Wide-Facility-Management ausgegeben: »Always take the shortest way!« und »As fast as possible!«
Im Falle der kaputten Neonröhre im Büro des Betriebsrates Klaus Franz in Rüsselsheim geht der Auftrag nun also vom World-Wide-Facility-Management zügig raus zur Facility-Abteilung von Opel Rüsselsheim, und die gibt ihn weiter an die immer noch sogenannte Haustechnik. Dort befinden sich Ablagen für ihr Wartungs- und Reparatur-Personal, in denen die für sie bestimmten Auftragseingänge und -ausgänge landen.
Der Auftrag »Neonröhre im Betriebsratsbüro, Klaus Franz, auswechseln« landet beim Elektriker Jürgen Senftler. Er erledigt den Auftrag sofort, denn das Betriebsratsbüro befindet sich nur 250 Meter von seinem Standort entfernt, allerdings muß er zuvor noch einen Umweg von etwa 800 Metern machen – ins Lager, wo die Neonröhren liegen. Und hinterher noch mal einen anderen Umweg von etwa 900 Metern – ins Lager, wo die kaputten Neonröhren gesammelt werden. Nachdem das alles geschehen ist – und alle Beteiligten hochzufrieden sind, meint Betriebsrat Klaus Franz jedoch – an die Adresse des ihn interviewenden Redakteurs der Süddeutschen Zeitung Karl-Heinz-Buschmann: »Dieser Unsinn muß doch aufhören!«
Und damit es nicht bei dieser Unmutsäußerung bleibt, hat Klaus Franz auch schon vor einigen Wochen angefangen, die Dinge zu ändern, das heißt, er hat Kontakt mit »Berlin« aufgenommen. Dort geht es zwar ähnlich kafkaesk wie in Detroit zu, schließlich heißt von den Amerikanern lernen, siegen lernen, oder hieß es jedenfalls, aber Klaus Franz hat sich durchgebissen – zum Finanzminister Steinbrück und von da aus zum Wirtschaftsminister Michael Glos, der ihn wiederum zu seinem eigenen Besten (»der Glos kümmert sich«) mit in die Talkshow »Anne Will« geschleppt hat. Anschließend gingen die zwei – Glos und Franz – in Berlin noch einen trinken: »Fragen Sie nicht, wie viele Flaschen wir getrunken haben!« Auf alle Fälle war laut SZ bereits »am nächsten Tag die Sache im Kanzleramt geritzt«. Der Betriebsrat darf also demnächst im Falle einer kaputten Neonröhre über seinem Schreibtisch den Elektriker Jürgen Senftler oder, falls dieser krank geschrieben, in Weiterbildung oder in Urlaub ist, den Aushilfselektriker Egon Blaschke direkt anrufen und um Behebung des Schadens bitten.
Ob einer der beiden dann allerdings sofort den Auftrag übernimmt und ausführt, der ja nun nicht mehr aus Amerika (!) kommt, sondern von dem Nervbolzen und Karrieristen Klaus Franz, der schon 1975, als er bei Opel in der Lackierabteilung anfing, als »anstrengend« galt, ist mehr als fraglich.
Aber darum geht es gar nicht, denn mit seinen »guten Drähten nach Berlin« wollte der Betriebsrat, »der wie jeden Tag morgens um halb fünf aufsteht«, noch viel mehr erreichen: nämlich ein mähliches Kappen aller Drähte nicht nur zum World-Wide-Facility-Management von Mr. Kamesh Gupta, sondern zu GM insgesamt. In anderen Worten: »Berlin« soll Opel von den Amis loseisen – abkaufen. Egal, ob das möglich ist und ob »Berlin« das überhaupt will (ich nehme eher an, daß Glos und Steinbrück im Falle einer Opel-Schließung von GM es eher dabei bewenden lassen, ihre Privatopel sofort und im Beisein der Presse demonstrativ zu verschrotten) – jedenfalls hat das alles mit unserem Neonröhrenauswechselproblem nur am Rande zu tun. Deswegen lasse ich es hiermit bewenden …