von Ernest Gabriel
Am 12. November versammelten sich in Berlin mehr als sechstausend Schüler am Alexanderplatz, um für die Verbesserung ihrer Bildungssituation zu demonstrieren, und zogen anschließend weitgehend friedlich zu den Linden. Dort stockte die Demonstration, da die bis dahin eher spärlich anwesenden Polizeikräfte anfangs die Freigabe der weiteren Strecke verweigerten. Diese vielleicht fünfzehnminütige Verzögerung führte zur Verlagerung weg von der angemeldeten Strecke hinein in die Humboldt-Universität. Die Parolen »Wir sind laut – weil Ihr unsere Bildung klaut!« oder »Wir wollen Bildung, und zwar umsonst!« wandelten sich schnell in »Weckt die Streikbrecher auf!«
Dies ist für Berliner Verhältnisse ebenso normal wie der Schwarze Block, der durch seine bloße Anwesenheit eine Pro-Bildungsdemonstration in einen Antikapitalismusmarsch, mit entsprechenden Chören und Bannern, zu transformieren vermag. So gelang es ihm, die zumeist demo-unerfahrenen Teilnehmer in die nicht für Kraftfahrzeuge gesperrte Grunerstraße zu leiten – was ziemlich für Verwirrung sorgte und die mangelnde Organisation der Kundgebung offenbarte.
Doch anders, als quer durch die Medienlandschaft behauptet, war es nicht diese linksradikale Fraktion, die randalierend durch die Universität zog. Es waren vielmehr die Jüngsten der Streikenden, die durch Scheibeneinschlagen und teilweise die Zerstörung der Ausstellung über die Pogrome in der Nazizeit ihrem Ärger Luft zu machen versuchten. Es war das Aufbegehren von Jugendlichen, von sehr jungen und trotzdem schon desillusionierten »Ottonormalschülern«, die es nicht gelernt haben, sich in der heutigen Gesellschaft Gehör zu verschaffen.
Unverhältnismäßig hart und unprofessionell hingegen war das Vorgehen der nun massiv eingesetzten Polizeikräfte. Als die Mehrzahl der rund tausend »Besetzer« das Universitätsgebäude und -gelände – geschockt durch die beobachteten Vorfälle, gegen die von streikender Seite sehr wohl vorgegangen worden war –, verlassen wollte, beschlossen die Einsatzkräfte, die Tore zu verriegeln. Sie lösten damit eine Massenpanik der friedlich Streikenden aus, die nun versuchten, den Schlägen und Tritten zu entkommen, die Polizisten nun auch an Kinder, Eltern, Schüler, Studenten und streikende Lehrer verteilten.
Ich selbst wurde von einer grün bekleideten Faust im Gesicht getroffen, während ich versuchte, ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen aus der Masse zu ziehen, die gerade von den Kollegen des Faustinhabers immer wieder in den Magen getreten wurde. Und das, obwohl sie schon gekrümmt am Boden lag. Einige versuchten, blutende Kinder herauszutragen, und andere wurden an den Haaren vor den Füßen der folgenden, drängenden Masse in Sicherheit gezerrt.
Das polizeiliche Antikonfliktteam, zu Beginn der Demo noch eifrig am Werk, verzog sich sofort beim ersten Anschein einer Eskalation. Versuche der Schlichtung wurden nun nirgends unternommen. Viele Augen der Grünuniformierten blickten haßerfüllt in die verzweifelten Gesichter der um ihr körperliche Unversehrtheit bangenden Demonstrierenden.
Vor allem das organisatorische Unvermögen beider Seiten begünstigte massiv diesen Vorfall – wobei nicht vergessen werden sollte, daß auf seiten der Staatsmacht Kräfte agierten, die für solche Situationen speziell ausgebildet sind und es trotzdem nicht vermochten, gegenüber Schülern und Studenten ihre Emotionen im Zaum zu halten. Ein Hoch auf die Einheiten der steuerfinanzierten Berliner Polizei!
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