von Franz Schandl, Wien
Wir sprechen nicht, wir entsprechen. Wobei dieses »ent« einiges aussagt. Ent-sprechen heißt, sich einer eigenen Sprache zu ent-ledigen. Wer sich entsprechend verhält, verhält sich nicht sprechend. Man sagt nichts zu dem, was passiert, man sagt einfach zu. Man hat nichts zu sagen, außer zuzusagen. Entgegen jedem ideologischen Getöse geht es gar nicht darum, sich selbst zu finden, sondern sich zurechtzufinden, was meint abzufinden. Leben soll gelten als Suche nach Entsprechung und nicht als Ort des Sprechens. Ihr sozialer Kontext läßt die Subjekte vorgefertigte Texte rezitieren, die sie zwar geringfügig variieren, in deren Matrix sie aber trotzdem fest haften. Sie bewegen sich frei in ihrem kommunikativen Betriebssystem.
Niemand wird abstreiten können, daß Worte und ihre Assoziationen vorgegeben sind, eben nicht von ihren Anwendern entworfen oder erfunden. Sprache setzt Sprecher. Auf daß sie reden. Die Sprache, die wir haben, hat uns. Ihr affirmativer Charakter ist offensichtlich. Ihre strikte Immanenz vergattert uns alleine durch ihre Macht, gut vom Bestehenden zu reden. Wenn wir anhören müßten, was wir in einem Leben so zusammenreden, dann gälte es festzuhalten: Die meisten Aussagen sind Sager und Sagen. Märchen. Narrative von Narren für Narren. Ein Kauderwelsch unzähliger Peinlichkeiten. Man stelle sich vor, das würde alles aufgenommen werden.
Sprache ist positiver Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse. Gegen diese effektiv zu sprechen und nicht nur affektiv zu raun(z)en, bedarf einer außerordentlichen Anstrengung. So scheitert das, was wir sagen wollen, manchmal schlicht am vorhandenen Material, das die Sprache uns bietet. Auch der Widerspruch ist oft nicht mehr als sperriger Bestandteil eines pluralistischen Rituals.
Nichts ist heute kenntlicher als das fortwährende Eindringen des Jargons der Wirtschaft in die Verkehrssprache. Da ist die Rede von mentalem Mehrwert, von einer Ökonomie der Aufmerksamkeit, von Trauerarbeit, von Humankapital oder zuletzt gar von Zornbanken. Da wird fleißig angeheftet, auf daß klar wird, in welcher Welt wir leben. Man denke bloß an den ganzen Marktadel der Wertworte. Unablässig ist da die Rede von »Wertschätzung« über »Wertschöpfung« bis hin zur »Wertegemeinschaft«. Neben den Substantiven gehören unzählige Verben und Adjektive dieser weitverzweigten Familie an, und sie wird immer größer. Wahrlich, da schwafeln nicht wenige von Werten, ohne je nach dem Begriff des Werts gefragt zu haben. Diese affirmative Sprache ist Ausdruck der schier unendlichen Ökonomisierung der Welt. Womit nicht gesagt ist, daß diese Sprache nichts erfaßt. Im Gegenteil, sie erfaßt gar viel, auch wenn sie noch so wenig begreift.
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