Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 7. Juli 2008, Heft 14

Max Planck: Genie und Mythos

von Mathias Iven

Max Planck gehört sicherlich zu den Persönlichkeiten, über die schon alles gesagt zu sein scheint. Noch dazu ist die Ausgangslage für den Biographen denkbar schlecht, denn einen eigentlichen Nachlaß gibt es nicht. Und dennoch: Der Berliner Wissenschaftshistoriker Dieter Hoffmann hat es verstanden, in kurzen knappen Strichen ein lebendiges, in manchen Zügen sicherlich auch überraschendes Bild dieser widersprüchlichen Persönlichkeit zu zeichnen. Auf nur wenig mehr als hundert Seiten stellt er dem Leser jetzt Plancks Leben und Werk und damit das komprimierte Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen vor.
Planck, der vor 150 Jahren in Kiel das Licht der Welt erblickte, gilt als »Vater der Quantenphysik«. Wie es dazu kam und was es genau damit auf sich hat, erklärt Hoffmann umfassend, präzise und für jeden verständlich. Auf der Karriereleiter ging es für Planck schnell empor: Promotion mit 21, ein Jahr später die Habilitation, schließlich die Professur und mit gerade mal dreißig Jahren die Berufung nach Berlin. 1892 wurde ihm bescheinigt, daß seine Aufsätze »von einer großen Schärfe und Besonnenheit des mathematischen und physikalischen Denkens« zeugen und daß er »als einer der gedankenreichsten und gleichzeitig als der gründlichste und zuverlässigste Vertreter des neuen und wichtigen Gebiets der Thermochemie nach ihrer theoretischen Seite in Deutschland betrachtet werden« muß. Zwei Jahre darauf erfolgte die Wahl zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1895 wird er Herausgeber der Annalen der Physik, 1913/14 wählt man ihn zum Rektor der Berliner Universität.
Doch nicht allein nur der Wissenschaftler Planck wird uns nahegebracht. Interessant und teilweise sehr spannend zu lesen sind auch die Ausführungen zum Leben neben der Universität, vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus. Planck war anfangs – bis zu deren Auflösung 1918 – Mitglied der Nationalliberalen Partei, die in Teilen in der bis 1933 existenten Deutschen Volkspartei aufging. In den zwanziger Jahren, so Hoffmann, wuchs Planck »in die Rolle eines prominenten und (wissenschafts-)politisch agierenden Staatsbürgers hinein, dessen forschungs-politisches Engagement und vielfältige Funktionen ihn zugleich zum einflußreichen Repräsentanten und Sprecher der deutschen Wissenschaft machten«. Diese Rolle auch im Dritten Reich auszufüllen, war für ihn eine »mit schweren inneren Kämpfen und Gewissenskonflikten« verknüpfte Aufgabe.
Anfangs verbanden sich für Planck, wie auch für andere, gewisse Hoffnungen mit der neuen Ära. So sah er sich mit seinem Selbstverständnis eines vermeintlich unpolitischen Wissenschaftlers sehr schnell in die Situation gedrängt, sich eher mit dem Regime zu engagieren, als sich aufzulehnen. In einem Focus-Interview beschrieb Hoffmann diese, wesentlich durch Plancks Festhalten an den preußischen Tugenden entstandene Situation kurz und knapp: »Man hatte sich ausschließlich oder doch vor allem für die Wissenschaft einzusetzen. Als Repräsentant der deutschen Wissenschaft und engagierter Wissenschaftsmanager war es für Planck ein zentrales Anliegen, den Glanz der deutschen Wissenschaft zu bewahren und weiter zu befördern. Dafür war er bereit, Kompromisse mit den nationalsozialistischen Machthabern einzugehen und deren Übergriffe hinzunehmen.«
Planck, der sich – allein schon altersbedingt – in diesen Jahren immer mehr aus der Wissenschaft zurückzog, verlor bald schon jegliche Illusionen über das Regime der Nazis. Wie schon in früheren Jahren trat er verstärkt mit Vorträgen in der Öffentlichkeit auf. Doch ging es jetzt nicht mehr allein um physikalische Fragen, sondern es »rückten nun weltanschauliche und ethische Probleme sowie die Frage nach dem Sinn menschlicher Forschungstätigkeit in den Mittelpunkt der Erörterung. Themen, die so im nationalsozialistischen Diskurs kaum diskutiert wurden oder gar quer zur nationalsozialistischen Ideologie und Weltanschauung standen«.
Im Februar 1944 ging Plancks Haus im Berliner Grunewald bei einem Bombenangriff in Flammen auf. Er verlor sein gesamtes Hab und Gut, seine Bibliothek und sämtliche wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Das Kriegsende erlebte er in dem altmärkischen Dorf Rogätz und kam schließlich, als fast Neunzigjähriger, im Mai 1945 nach Göttingen, wo er zwei Jahre später starb.
Vor allem im letzten Teil seines, wie es im Vorwort heißt, »Zwischenberichtes« räumt Hoffmann mit dem »Mythos« Planck auf und zeigt anhand von zahlreichen Dokumenten, daß sich manche Dinge doch etwas anders als bisher dargestellt verhalten haben …
Trotz der durch den Verlag gebotenen Kürze sicherlich der bisher gelungenste Beitrag zum Planck-Jahr! Man darf auf mehr gespannt sein …

Dieter Hoffmann: Max Planck. Die Entstehung der modernen Physik, Verlag C. H. Beck München 2008, 128 Seiten (mit Abbildungen), 7,90 Euro