von Hartmut Pätzke
In Überblicksdarstellungen zur Kunst in der DDR und in Künstlerlexika des 20. Jahrhunderts fehlt der Name Egmont Schaefer (1908-2004), nur im Katalog 6 der Sammlung Handzeichnungen der DDR in der Kunstgalerie Gera (1989) ist er vertreten. Als Zeichner blieb sein Werk, etwa 4000 Blätter, eher im Verborgenen. Erst seit den frühen siebziger Jahren trat er nach und nach mit seinem beachtlichen zeichnerischen Talent durch eigene Ausstellungen und zu ihnen gehörenden Katalogen hervor.
Zum 100. Geburtstag Egmont Schaefers liegt die bisher umfassendste Publikation zu seinem Leben und Werk vor. Mit Zeichnung als Lebensform ist signifikant der erste Beitrag von Jens Semrau überschrieben. Zeichnungen, Temperablätter, Gouachen und Aquarelle gehören zu Schaefers frühem Werk, entstanden fast täglich in den Jahren 1927 bis 1931. Schaefer hatte die »strenge Aufnahmeprüfung an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin zum Wintersemester 1928/29« bestanden, wurde Schüler von Emil Orlik (1870-1932). Bereits Mitte 1931 bricht Schaefer das Studium wegen materieller und familiärer Probleme ab. Die künstlerische Arbeit behält er bei. Seine künstlerischen Anfänge hat Gudrun Schmidt subtil zu umreißen versucht.. Sie bezeichnet ihn als »einen der wenigen solitären reinen Zeichner, die es im 20. Jahrhundert gegeben hat«.
Dem Halbjuden, »Mischling« genannt, wird 1938 die Arbeit als Maler, Graphiker und Gebrauchsgraphiker durch den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste untersagt – ein Berufsverbot. Sein um zehn Jahre jüngerer Bruder Hellmut, der im Begriff war, ihm künstlerisch zu folgen, läßt sich, um auswandern zu können, als Jude erklären; er wird 1943 deportiert werden. Egmont Schaefer arbeitete von 1939 bis 1944 als Hilfsarbeiter in der Berliner Großdruckerei Erich Thieme in Niederschöneweide, im letzten Nazijahr war er im Heeresbekleidungsamt in Berlin dienstverpflichtet.
Der Nachlaß Schaefers ging testamentarisch an das Berliner Kabinett e. V. Weil Schaefer nicht nur alles über Autos sammelte (sein schon 1928 verstorbener Vater war Diplom-Ingenieur und Autokonstrukteur), sondern auch sämtliche Papiere und Briefschaften aufhob, kann sein Leben ziemlich akribisch nachgezeichnet werden. Jens Semrau tut das.
Im Mai 1945 beginnt für den Zeichner Egmont Schaefer eine aktive Phase. Die Beteiligung an zahlreichen Ausstellungen führt zum Verkauf einiger Blätter, die Zeitschriften Athena und Der Insulaner publizieren seine Zeichnungen, die in der Regel nicht als Illustrationen entstehen, sondern freie Schöpfungen sind. Sowohl im »Berliner Kulturkollektiv« als auch im erstaunlich reichen Kulturleben des Anfangs in der Viersektorenstadt erntet Schaefer Bestätigung. Anita Kühnel hat diesem Kapitel ihre Aufmerksamkeit geschenkt, das um 1950 endet, da der Zeichner über keine Einkünfte mehr verfügen wird. Zwei ältere Künstlerinnen, Charlotte E. Pauly (1886-1981) und Sella Hasse (1878-1963) versuchen ihm zu helfen. Die erkrankte Sella Hasse wird er bis zu ihrem Tode betreuen und ihr Nachlaßverwalter werden.
Der Aufstieg Egmont Schaefers in der Berliner Kunstlandschaft beginnt erneut 1973. In dem Jahr eröffnete Klaus Werner im Atelierhaus im Monbijou-Park, zugehörig zur Weißenseer Kunsthochschule unter dem Rektorat von Walter Womacka, die erste namhafte Ausstellung für den stets bescheiden wirkenden Künstler.
Das Buch mit zahlreichen schwarz-weißen und farbigen Reproduktionen der Arbeiten Schaefers in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, Fotos aus seinem Leben und dokumentarischen Wiedergaben, gut zu lesenden Texten, ist sehr informativ. Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag Schaefers wird noch bis zum 28. Juli in der Berlinischen Galerie gezeigt.
Leider mangelt es der Monographie an notwendigen Dingen: einem Inhaltsverzeichnis und einem Register, auch ein Abbildungsverzeichnis und ein ordentliches Namensregister sind zu vermissen. Doch das alles ist so selten leider nicht, zahlreiche Publikationen der letzten zehn Jahre zur Kunst in der Deutschen Demokratischen Republik sind dadurch für wissenschaftliches Arbeiten so gut wie unbrauchbar.
Egmont Schaefer 1908 – 2004. Herausgegeben von Jens Semrau im Auftrag des Berliner Kabinett e.V. zu seinem 100. Geburtstag. Mit Textbeiträgen von Jens Semrau, Gudrun Schmidt, Anita Kühnel, Wolfgang Leber, Karsten Bartels, Frank Diersch, Katharina Köpping. Bildredaktion: Joachim Böttcher, Dr. Anita Kühnel, Bernd Kuhnert, Wolfgang Leber, Gudrun Schmidt, Dr. Jens Semrau.. MCM ART Verlag Berlin 2008 . www.mcm-art-verlag.de. ISBN 978-3-9811946-0-9. Kartoniert: 20 Euro
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