Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 14. April 2008, Heft 8

… schützt eure Anlagen!

von Erhard Weinholz

Um den Erhalt mancher Berliner Baulichkeit aus DDR-Zeiten wurde jahrelang öffentlich gekämpft. Allerdings vergebens: Vom Palast der Republik stehen nur noch Reste, das Ahornblatt, Gertraudenstraße, Ecke Fischerinsel, hat man schon vor Jahren beseitigt. Andere architektonische Zeugnisse jener Jahre fanden, als der Abriß kam, wenigstens ehrenvolle Erwähnung – das denkmalgeschützte Gebäude der Ungarischen Botschaft Unter den Linden etwa oder der Am Festungsgraben gelegene Erweiterungsbau des Museums für Deutsche Geschichte. Kleinere Anlagen hingegen verschwinden meist sang- und klanglos, als seien sie für das Leben in der Großstadt ohne Belang.

Eine davon befand sich am Rolandufer, gleich neben der Einmündung der Klosterstraße: eine von Grün umwucherte L-förmige Pergola, umgeben von hohem Gebüsch.. Sie stammte wohl aus den fünfziger Jahren; das Mauerwerk der Pfeiler und der kniehohen Umfassung ähnelte dem der Biesdorfer Parkbühne, errichtet in den Mittfünfzigern. Manchmal habe ich hier an der Spree auf einer der Bänke gesessen, gelesen oder aufs Wasser und das gegenüberliegende Märkische Ufer geschaut; bei sonnigem Wetter hatte das Ganze etwas Mittelmeerisches an sich. In den Büschen lagen leere Bierbüchsen. Vormittags jedoch blieb ich allein und ungestört – das Viertel um die Klosterstraße ist eine stille Gegend. Bis weit in das vorige Jahrhundert hinein hatte sich an dieser Stelle inselgleich ein Stück Alt-Berlin erhalten. Fast nichts davon hat überdauert. Doch noch heute schauen manche Touristen, die die Straße durchwandern, um sich, als könnten sie nicht glauben, hier im Zentrum der Weltstadt Berlin zu sein.

Eines Tages, im März 2000, fand ich den Platz vollgestellt mit Baumaterialien, Pflasterplatten waren zerborsten. Wird bestimmt wieder hergerichtet, dachte ich. Aber das war ein Irrtum: An der Klosterstraße entstand die Botschaft der Niederlande, 2004 wurde sie eingeweiht. Zum Ufer hin wächst jetzt Rasen.

Verschwunden ist auch der winzige Park an der Nordostecke der Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden, auf dem Platz vor dem inzwischen abgerissenen Linden-Hotel. Ein gutes Dutzend Ahornbäume und einige Bänke hatten dort gestanden.

Den Verfechtern der »kritischen Rekonstruktion«, die sich am schluchtartigen Straßenbild der Vorkriegszeit orientierten, paßten sie nicht ins Konzept; Ende der neunziger Jahre zeigte sich, daß ihr Standort gefährdet war: Das Areal an der bekanntesten Kreuzung des Berliner Ostens sollte verkauft werden. In dem Falle fand sich ein prominenter Verteidiger: Friedrich Dieckmann setzte sich im Oktober 2000 auf den Berliner Seiten der FAZ für die Bewahrung dieser »baumbestandenen Öffnung im zu- und vollgebauten Stadtkern« ein. Auch das Bezirksamt Mitte hatte versucht, den Platz zu retten. Doch die Senatsverwaltung zog den Vorgang an sich. Passanten würden den Ort ohnehin kaum aufsuchen, ließ sie verlauten. Aber wer sitzt schon gern zwischen Kabeltrommeln und Paletten mit allerlei Bauzubehör?

Derzeit sind auf dem Platz die Arbeiten im Gange. Den Zuschlag hat ein Investor bekommen, der nicht nur die Fläche des einstigen Hotels, sondern das gesamte Areal bebauen will und bereit war, dem Land Berlin dafür etliche Millionen mehr zu zahlen. Überbaut hat man zuvor bereits den Platz gegenüber, vor dem früheren Linden-Corso, und die große Wiese mit den Trompetenbäumen an der Südfront des Bahnhofs Friedrichstraße, wo sich mit tags die Angestellten aus den umliegenden Büros gesonnt hatten. Heute gibt es an dieser Straße zwischen dem Bahnhof und der Ecke zur Leipziger keinen Ort mehr, wo man sitzend verweilen kann, ohne konsumieren zu müssen.

In den letzten Jahren sind zwei Hochbeete in Friedrichshain zu einem meiner Lieblingsplätze geworden, das eine an der Grünberger Straße, das andere, flachere, im rechten Winkel daran anschließend, parallel zur Warschauer.

Auf dem nur ein paar Dutzend Quadratmeter großen Platz davor, direkt an der Ecke beider Straßen, steht seit 1987 eine Sandsteinskulptur: Auf brusthohem Sockel sitzt müßig – eine Haltung, die den DDR-Oberen stets verdächtig war – ein in den Himmel schauender Bär. Eigentlich eine Bärin, die in natura im Friedrichsfelder Tierpark zu Hause gewesen sei und auch immer so dagesessen habe, erzählte mir eines Tages ein Spaziergänger. Ich habe es ihr gern nachgetan, habe zwischen langnadeligen Koniferen und einem Rosenstrauch auf dem breiten Beetrand Wanderpausen eingelegt und das Straßenleben beobachtet. Seit dem vorigen Sommer war das aber kaum noch möglich: Das Haus gleich linker Hand in der Warschauer wurde eingerüstet; die Müllcontainer, die an seiner Rückwand gestanden hatten, kamen auf den kleinen Eckplatz und versperrten die Sicht.

Die Anlage verwahrloste zudem, das Grünflächenamt schien sich um sie nicht mehr zu kümmern. Als ich neulich wieder einmal dort vorbeikam, sah ich, daß die Umfassungsmauern der Beete eingerissen wurden. Tags darauf zerschredderten zwei Männer einen Teil des Bewuchses. Auf meine Frage hieß es: Ein Fahrradschuppen kommt hier hin und ein umzäunter Platz für die Müllbehälter. Wird aber wieder begrünt. Zumindest ein Teil des Beetes an der Grünberger Straße scheint sogar stehenzubleiben. Dank euch, ihr Stadtbürokraten!