Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 4. Februar 2008, Heft 3

Hillary, oder was?

von Erhard Crome

Die Bush-Zeit nähert sich nun definitiv ihrem Ende. Wird sie eher müde ausklingen oder nochmals Angst und Schrecken herbeiführen? Vizepräsident Cheney, der frühere Kriegsminister Rumsfeld und andere Ohrenbläser hatten George W. Bush schon im Jahre 2000 eingeredet, den Schwerpunkt der US-amerikanischen Außenpolitik von Europa – nach dem »Sieg« im Kalten Krieg und dem Ende der Sowjetunion – in die Region des Nahen und Mittleren Ostens zu verlagern. Das geschah in dem Bestreben, über die dortigen gewaltigen Erdöl- und Erdgasreserven direkt zu verfügen, aber auch aus Erwägungen der Geopolitik, den gewaltigen eurasischen Großkontinent durch die Verfügung über die fossilen Brennstoffe und durch die starke militärische Präsenz dominieren zu können. Und damit auch die wirtschaftlichen Mächte China, Indien und die Europäische Union unter Kontrolle zu halten. Die Vorstellung der Bush-Administration von einem Greater Middle East, der sich von Marokko, Israel und Palästina sowie dem Horn von Afrika bis nach Pakistan erstreckt, ist der eines Schauplatzes, auf dem ein globaler Konflikt ausgetragen wird. Dazu gehört auch immer noch die »offene Rechnung« mit dem Iran.

Annapolis, Maryland, zum Großraum Washington D.C. gehörig, war Ort der »Friedenskonferenz« Ende 2007, die Außenministerin Rice angeregt hatte, die Bush dann aber doch zur Chefsache machte. Gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Israels, Ehud Olmert, und dem Präsidenten Palästinas, Mahmud Abbas, werde er den Frieden herstellen, innerhalb eines Jahres. Anfang 2008 unternahm Bush dann eine Reise in den Nahen Osten. In Israel sprach er vom »jüdischen Staat«. Was meinte er damit? Einen religiösen Staat, mit dem sich viele Israelis nicht identifizieren können? Oder einen ethnisch-jüdischen Staat, der die arabisch-palästinensischen Bürger ausschließt, die seine Staatsbürgerschaft haben – immerhin etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung? In Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, redete er davon, ein palästinensischer Staat dürfe nicht »durchlöchert sein wie ein Schweizer Käse«. Will er nun doch die israelischen Siedlungen, die seit 1967 illegal errichtet wurden, beseitigen?

Dann flog George W. Bush nach Saudiarabien und in die Golfregion. Hier war klar, es geht um das liebe Öl und um die beabsichtigte Allianz gegen den Iran. Unter diesem Blickwinkel erscheint die plötzliche Hinwendung zu einem israelisch-palästinensischen Frieden eher als taktische Maßnahme. Diesen Braten haben die Saudis aber gerochen. Im Dezember war der iranische Präsident Ahmadinedschad in Riad und Mekka zu Gast. Der saudische Außenminister sagte auf einer Pressekonferenz, der Iran sei »Nachbar, ein wichtiges Land der Region« und »natürlich hegen wir keine bösen Absichten gegen Iran«. Diesen Krieg werden die USA dann wohl ohne Verbündete in der Region führen müssen. Oder er findet nicht statt.

Die außenpolitische Bilanz von acht Jahren Bush ist für die USA niederschmetternd. Galten sie 2003 noch als uneinholbare Supermacht, die einsam »unilaterale« Beschlüsse faßt, so sind Siege im Felde nicht zu erwarten, in Irak nicht, in Afghanistan nicht, nirgends. Derweil wurden die Finanzmittel der »stärksten Wirtschaft der Welt« in Rüstungen verpulvert oder in Steuergeschenke für die Reichen verwandelt. Die große Finanzkrise, die die Weltwirtschaft als Ganze gefährdet – wenn sie denn kommt, kommt sie aus den USA. Gerade will Bush nochmals 150 Milliarden Dollar in ein Konjunkturprogramm stecken, die er gar nicht hat. Die derzeitige Verschuldung der USA liegt bei über neun Billionen Dollar; die Staatsschulden machen über zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes aus. Wirtschafts- und innenpolitisch wird auch nicht positiv über diese Jahre zu reden sein.

In diesem Jahr nun die turnusmäßigen Präsidentenwahlen, »am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November eines jeden Schaltjahres«. Bush kann nicht wieder antreten. Aber wird denn jemand von den Republikanern überhaupt eine Chance haben, nach dieser »Bilanz«?

Nach menschlichem Ermessen kaum, es sei denn … es wird »über Bande gespielt«. Wie das gehen könnte? Bill Clinton wird von vielen Politologen und politisch beobachtenden Psychologen als das nach wie vor größte politische Talent unter dem relevanten politischen Personal der USA angesehen. Er hat seine acht Präsidentenjahre jedoch hinter sich. Hillary, seine Gattin, hat mit ihm die Erfolge und Querelen jener Zeit überstanden und mit ihrer Wahl zur Senatorin von New York 2001 ihre eigene politische Karriere begründet. Sie hat ihr individuelles politisches Profil, und zugleich werden die positiven Momente der Bill-Clinton-Zeit, die niedrige Arbeitslosigkeit, der Abbau der Staatsverschuldung, die größere persönliche Freiheit – vor deren Einschränkung unter dem Vorwand der Staatssicherheit gegen den Terrorismus unter Bush – ihr als Erwartung zugerechnet. Sie wäre zudem die erste Frau in diesem Amte. Im Grunde gingen die meisten Kommentatoren in den USA wie in Europa bis Ende 2007 davon aus, daß sie es wohl machen werde.

Dann kamen die Vorwahlen in Iowa, die ersten des Jahres 2008 im Vorwahlkampf, und es siegte nicht Clinton, sondern Barack Obama, ein junger schwarzer Kandidat, Senator für Illinois. Plötzlich schwenkten die Kommentatoren und Medien um, plötzlich galt Clinton als altmodisch, zickig, profillos, während dem jungen Mann die schönsten Elogen geschrieben wurden. Es war, als wollten die Medien jetzt unbedingt Obama. Wollen sie das wirklich?

Colin Powell, der erfolgreiche Militär unter Bush sen., galt zu den Wahlen 2000 zunächst als die große Hoffnung der Republikaner. Er berichtete später, seine Frau habe zu ihm gesagt, es werde kein Schwarzer Präsident der USA, eher werde er erschossen. Daraufhin sei er nicht angetreten, und unter dem dann gewählten Bush jun. diente er vier Jahre als Außenminister. Das soll jetzt, nur acht Jahre später, anders sein? Wohl kaum. Wenn Hillary Clinton Kandidatin der Demokratischen Partei wird, ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie gewählt wird, sehr groß, wer auch immer der republikanische Kandidat sein wird. Wäre Obama dagegen der Kandidat, würden die Rechten alles mobilisieren, damit eben kein Schwarzer Präsident der USA wird. Und damit wären die Republikaner wieder im Spiel, wer auch immer ihr Kandidat ist. Welche Rechnung aufgeht, wird sich am »Super Tuesday« zeigen, dem Dienstag, an dem in vielen US-Bundesstaaten die Vorwahlen stattfinden. In diesem Jahr ist das der 5. Februar.