von Hartmut Pätzke
An dem Tag der deutschen Kapitulation wurde Erhard Frommhold siebzehn Jahre alt. Kunsthistoriker und Lektor, Cheflektor des VEB Verlag der Kunst in Dresden, bis zu seinem Ende in der Obhut der DDR, war Erhard Frommhold ein Glücksfall für den 1952 gegründeten Verlag, für die Verlagslandschaft zwischen Berlin, Dresden, Leipzig, Rostock und Weimar insgesamt. Ein versierter Mann des Verlagsgeschäftes, ein äußerst begabter und kritischer Schreiber.
Seit 1942 lernte er Bauklempner, begegnete 1943 bei Mock & Krumsiek Dr. rer. pol. Heinrich Mock (1904 bis 1984), dem kurzzeitigen Altenburger Museumsdirektor, Sammler und nach dem Krieg ersten Graphik-Verleger, der mit den aus dem Thüringer Volksverlag geretteten Beständen seines Altenburger Verlages um 1954 sein Kollege im VEB Verlag der Kunst werden sollte. Nach dem Aufenthalt in einem Zwangsarbeiterlager in Appeldorn bei Wesel aufgrund des aktiven Widerstands seiner Eltern und anschließendem Reichsarbeitsdienst in Rippin wurde Frommhold noch 1945 zur Marine eingezogen.
Im November 1945 kehrte er aus der Gefangenschaft nach Altenburg zurück und machte 1946 seine Gesellenprüfung als Klempner. An der Vorstudienanstalt in Keilhau/Rudolstadt bereitete er sich 1946 auf das Studium der Soziologie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena vor, das er 1950 abschloß. Als Oberreferent für Bildende Kunst und Museen im Ministerium für Volksbildung des Landes Thüringen und dann persönlicher Referent des Leiters der »Verwaltung für Kunstangelegenheiten« der Landesregierung Thüringen, Oskar Poser, tätig, mußte er sich bereits seines stalinistischen Vorgesetzten erwehren. Otto Dix und dessen Biographen Fritz Löffler (1899 bis 1988), Nestor der Dresdner Kunst, fühlte er sich seitdem besonders verbunden.
Frommhold trat als Lektor in den 1952 gegründeten VEB Verlag der Kunst Dresden ein. 1959 begründete er mit Ernst Fischers Von der Notwendigkeit der Kunst die Fundus-Bücher. Der Weg zum namhaften Kunstverlag war auch begründet durch Autoren wie Konrad Farner (Zürich) und durch Bücher zu dem in der Sowjetunion noch längst nicht gewürdigten Künstler El Lissitzky, herausgegeben von Sophie Lissitzky-Küppers, zu Robert Falk, Kasimir Malewitsch und Wladimir Tatlin. Es waren sowohl Übersetzungen aus den russischen Manuskripten als auch in Zusammenarbeit mit dem Corvina Verlag in Budapest entstandene Bücher.
Das Erscheinen von Kunst im Widerstand. Malerei, Graphik, Plastik 1922 bis 1945, herausgegeben von Erhard Frommhold, eine epochale Leistung, aber auch des Dresdner Bilderbuches (Spätherbst 1968) von Ernst Hassebrauk und Meißner Porzellan. Die Geschichte einer Manufaktur (März 1969) von Otto Walcha wurden, auch im Anschluß an die Niederschlagung des »Prager Frühlings«, auf unterschiedliche Weise zu Angriffen benutzt. Frommhold wurde »als Cheflektor ›suspendiert‹ und mit einer hohen Parteistrafe gedemütigt«. Werner Krolikowski, Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden und ZK-Mitglied, erklärte öffentlich, daß das »Krebsgeschwür Verlag der Kunst« nun »ausgebrannt« werden müsse. Nach fünf Jahren durfte Frommhold wieder auf seine alte Position zurückkehren. 1974 erschien im Henschelverlag in Berlin seine große Monographie zu Zeit, Leben und Werk von Otto Nagel, Standardwerk bis heute, das ihm zugleich den Dr. phil. einbrachte.
Dem Gebrauchsgraphiker Klaus Wittkugel (1910 bis 1985) galt 1979 die Monographie, vom Künstler selbst gestaltet, die im VEB Verlag der Kunst erschien. Obgleich in keiner direkten Lehrfunktion, wurde Erhard Frommhold in den achtziger Jahren von einer ganzen Anzahl Berliner Kunstwissenschaftler, um 1950 Geborener, verehrt und gewürdigt.
Dem Verlag der Kunst in privater Hand wollte er nicht dienen.
So manches Mal »klein beigegeben« zu haben, bekümmerte ihn. Als er Joachim Walthers Sicherungsbereich Literatur gelesen hatte, meinte er, daß ein Buch über den »Sicherungsbereich Kunst« fehle und ein Jüngerer das vollbringen müsse. Es war stets eine Freude, dem provokanten und freundlichen Erhard Frommhold zu begegnen, mit ihm zu diskutieren. Es wird kein Anruf mehr von ihm kommen, keine Karte, kein in Aussicht gestellter längerer Brief, und es wird keine Begegnung mehr in Dresden oder anderswo geben. Im Urnenhain auf dem Friedhof Dresden Tolkewitz hat Erhard Frommhold am 6. November 2007 seine letzte Ruhestatt gefunden. Sein wohl letzter Text, eine Würdigung des Malers und Graphikers Ronald Paris zu dessen 75. Geburtstag, wird im nächsten Jahr erscheinen.
Als »Vorlaß« hat Frommhold bereits vorsorglich seine umfangreiche Korrespondenz und sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte Manuskripte dem Archiv Bildende Kunst der Stiftung Archiv der Akademie der Künste zu Berlin übergeben. Ein erster Anlaß, ihn nun als Nachlaß öffentlich zu machen und Leben und Arbeit des in Dresden tätigen und weit darüber hinaus wirkenden Lektors und Kunstschriftstellers zu würdigen, könnte sein 80. Geburtstag im kommenden Jahr sein.
Schlagwörter: Erhard Frommhold, Hartmut Pätzke