Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 1. Oktober 2007, Heft 20

Teddys & Tornados

von Henryk Goldberg

Weil wir gerade von Tornados sprechen, ich suche einen. Allerdings, der heißt nicht Kyrill und auch Method nicht, denn zusammen waren sie eine mehrjährige Katastrophe, doch mit Buchstaben hat er auch zu tun. Er heißt der Rächer, und er ist ein Buch. Tornado der Rächer ist ein Western, ein Buch, das ich nie vergessen habe. Seit einigen Jahren habe ich eine Dauersuchmeldung bei amazon.de laufen, doch kein Antiquariat hat das Kindheitserlebnis in der Ramschecke liegen. Ich kann noch nicht lange im zweistelligen Alter gewesen sein, als es mir in die Hände fiel. Und als ich es gelesen hatte, teilte ich meiner Mutter mit, ich würde gerne alle Märchenbücher gegen derlei tauschen. Es traf sich, daß der Vorrat an derlei Büchern sehr beschränkt war, so habe ich die Märchen immer noch.
Aber dieses Märchen von den Männern mit den schnellen Händen, das hätte ich gern wieder. Tornado, das war so ein ganz Harmloser, ein ganz Freundlicher, ein ganz Friedlicher. Doch eines Tages, als die schlimmen Männer kamen, da holte er seine Colts unter dem Bett hervor und siehe: Er war schneller, als je ein Mann im Westen war. Wahrscheinlich war es das, die Hoffnung, es stecke noch ein ganz anderer Kerl in einem, dann würden die anderen schon sehen, eines Tages. Spiel mir das Lied vom Sieg. So ein frühpubertärer Seeräuber-Johnny. Und sie wissen immer noch nicht, mit wem sie reden. Oder so. Der Autor Joe Juhnke lebt, als sehr alter Mann, in der Geburtsstadt meiner Frau und hat, so las ich, etwa tausend solcher Romane geschrieben, Balzac, unter uns Literaturfreunden, war ein fauler Sack dagegen. Und obgleich dieser Balzac nie in der Geburtsstadt meiner Frau lebte, hat sie von dem manches gelesen und von dem Heimat-Schriftsteller nichts.
Dafür mochte sie in diesem Alter die Frösi, was, für unsere jüngeren Leser, eine Zeitschrift war, die hieß in lang Fröhlich sein und Singen. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich mein frühkindlicher Widerstand gegen das Regime war, der mich daran hinderte, ein Frösi-Fan zu werden. Es wird wohl eher das gewesen sein, was die tatsächliche Qualität des Heftes war, die vielen bunten Beigaben: Bastelbögen, Samentütchen, Experimente, 3-D-Brillen. Alles Zeugs, was ich ziemlich blöde fand, wer von einer schnellen Hand träumt schließlich, der will damit nicht Sämann im Blumenkasten sein, nicht wahr, der will kämpfen, gegen wen auch immer.
Vielleicht, daß ich deshalb nie zu den Freunden des niedlichen Bummis gehörte. Der Titelstifter ebenfalls einer Kinderzeitschrift, wurde soeben fünfzig Jahre alt, man sieht es ihn übrigens nicht an. Kam ein kleiner Teddybär aus dem Spielzeugland daher / Und sein Fell ist wuschelweich, alle Kinder rufen gleich / Bummi Bummi Bummi brumm brumm brumm. Brumm brumm brumm. Wuschelweiches Weichei. Das ist doch nix für einen Kerl. Ja, bei Jack London, da gab’s Bärenfleisch, aber der doch nicht. Ne, Nostalgie hin, glückliche Kinderjahre her, der gute alte Bummi hat kein Anteil an meiner Sozialisierung. Wer ein Kämpfer war, der las Mosaik. Da gabs Gegner die Menge. Einäugige Seeräuber, vielarmige Kraken, fiese Römer, dto. Allbewohner, die habe ich alle geschlagen, ich und die anderen drei Jungs. Die hab ich noch immer lieb, ich hab beinahe sämtliche Reprints der Digedags, das war jedesmal ein schöner Abend. Aber, weil die Liebe zum Mitgeschöpf Tier einen guten Eindruck macht beim Leser: Mischa Kugelrund war wirklich eine runde Sache. Aber die Grimms, die ziemlich öde sind, die gäbe ich noch immer für einen Tornado. Wenn er nicht Kyrill heißt.