von Jens-Fietje Dwars
Das jüngste Heft der Gerbergasse 18 widmet mir drei Seiten. Darin empfiehlt Heinz Voigt, meine Biographie über Peter Weiss nicht zu kaufen, weil sie erstens von einem Rezensenten verrissen wurde, und weil ich zweitens ein Stasi-Spitzel war.
Ich leugne meine Erfahrungen mit der Staatssicherheit nicht, habe sie vielmehr seit 1992 öffentlich bekundet – in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, zuletzt im Februar 2007 bei einem Podiumsgespräch mit Lutz Rathenow in der Goethe Galerie. Leicht fiele es mir, Reue zu demonstrieren, zu leicht. Ich ziehe es vor, nach den Gründen zu fahnden, warum ich einst den Versuchungen der Macht erlegen war. Seit fünfzehn Jahren unterziehe ich mich dieser Arbeit, in all meinen Büchern, Filmen und Ausstellungen frage ich danach, wie Menschen zu dem werden, was sie sind, und wann sie die Chance haben, ihr Leben zu ändern.
Aber davon berichtet die Gerbergasse nicht, sie denunziert mich als Denunzianten. Mehr noch: Sie prangert all jene Institutionen an, die es wagen, meine Arbeiten, trotz fünfzehnjährigem Lehr- und Berufsverbot, zu schätzen, sie gar auszuzeichnen. Von der Abbé Bücherei über das Romantikerhaus bis zum Adolf Grimme Institut, sie alle werden mangelnder Wachsamkeit bezichtigt.
Jede Straftat, für deren Ahndung das Gesetz bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug vorsieht, ist nach einem Jahrzehnt verjährt. Jeder Mörder, der seine Strafe abgesessen hat, kann ein neues Leben beginnen, ohne permanent an seinem alten gemessen zu werden. Nur wer einmal mit dem Teufel Staatssicherheit im Bunde war, den verfolgt das Stigma der Hölle noch achtzehn Jahre danach, bis an sein Lebensende, ohne jemals für eine konkrete Tat angeklagt worden zu sein.
Ich will keinen Schlußstrich, sondern eine offene Rechnung, die das Ganze meines Lebens und Wirkens in die Waagschale wirft, und nicht nur Bruchstücke auswählt, um mich damit zu erschlagen. Im übrigen vertraue ich auf das Urteil der mündigen Leser.
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