von Thomas Heubner
An die Berliner Zeitung:
Lobens- und lesenswert Frank Junghänels Artikel über den Kommunisten und Antifaschisten Adolf Burger und die Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen. Wenig originell allerdings die deckungsgleiche Überschrift mit Die Zeit vom 8. Februar zum gleichen Thema. Noch bedauerlicher freilich, daß ausgerechnet die Berliner Zeitung es nicht für erwähnenswert fand, daß Burgers Buch Des Teufels Werkstatt bereits in den achtziger Jahren in der DDR veröffentlicht wurde – trotz oder wegen des »verordneten Antifaschismus« –, und zwar vom Verlag Neues Leben in drei Auflagen in den Jahren 1985, 1987 und 1989. Ein bißchen Recherche im eigenen Haus des Berliner Verlages hätte zudem herausgefunden, daß zuvor ein mehrteiliger Tatsachenreport Burgers in der außenpolitischen Zeitschrift horizont abgedruckt war. Das nur als freundliche Ergänzung zu einem Berlinale-Wettbewerbsfilm.
Thomas Heubner, Berlin-Kreuzberg
Frank Junghänel teilte Thomas Heubner in einer Antwort mit, daß es in dem Artikel nicht darum gegangen sei, »wann und wo Details des Geschehens schon einmal veröffentlicht worden sind«. Woraufhin sich Heubner erneut veranlaßt sah, einen Brief zu schreiben:
Lieber Herr Junghänel,
vielen Dank für Ihre mail, ich hatte gar nicht mit einer Antwort gerechnet. Und ich möchte eigentlich auch keine Debatte anzetteln oder uns gar gegenseitig die Zeit stehlen. Nur eine Bemerkung noch:
Mir geht es weniger um die deckungsgleiche Überschrift (die bei der Beschäftigung mit diesem Mann und dieser Fälscherwerkstatt fast auf der Hand liegt), sondern um den Kontext. Deshalb glaube ich auch nicht, daß man öfter Die Zeit lesen sollte. Ich jedenfalls finde Formulierungen wie KZ-Trauerspiele aus der DDR, etwa Konrad Wolfs »Nackt unter Wölfen« nur noch als peinliche Dummheit.
Gewiß, davon sind Sie in Ihrem sonst wirklich guten Artikel meilenweit entfernt. Aber Sie sind ein so guter Schreiber und kluger Denker, als daß Sie nicht auch wüßten, worauf ich ziele: Nämlich diese einhellige stromlinienförmige Ausrichtung aller Medienberichte über diesen Berlinale-Film, indem genau dieser eine Fakt bei Adolf Burger einfach nicht erwähnt wird. Das wird ganz selten böse Absicht sein, oftmals nur profane Unkenntnis, richtige Geschichte beginnt eben erst 1990. Aber es paßt nun mal zum Zeitgeist, zum unverordneten Duktus vom »verordneten Antifaschismus in der DDR«. Oder umgekehrt – daß Burgers Buch schon zu DDR-Zeiten erschien, daß er und der Verlag sich vor Drucklegung über »Gutachter« hinwegsetzten, daß er bereits damals in Schulen, Betrieben und Bibliotheken sprach, daß der Zeitzeuge also schon zu Wort kam, läßt sich für manche wohl schlecht mit der heute üblichen Geschichtsschablone in Übereinstimmung bringen.
Ich vermute, Sie wissen das auch, und deshalb fand ich es schade, daß Sie und die Berliner Zeitung nicht den Mut zum Unterschied aufbrachten.
Mit besten Grüßen, Thomas Heubner
An Die Zeit:
Interessant und lesenswert Evelyn Fingers Artikel Geld oder Leben (Die Zeit vom 8. Februar 2007) über den jüdischen Kommunisten und Antifaschisten Adolf Burger. Aber leider nur auf den ersten Blick, dann wird’s richtig ärgerlich. Könnte man noch darüber grübeln, was die Autorin eigentlich mit »KZ-Trauerspielen aus der DDR« gemeint hat, so schreit es nach Korrektur bei Nackt unter Wölfen: Buchautor ist Bruno Apitz und Regisseur des gleichnamigen DEFA-Films mitnichten Konrad Wolf, sondern Frank Beyer. Und ergänzend sei noch hinzugefügt, daß Burgers Buch mit seinem »illusionslosen Realismus«, wie die Autorin schreibt, bereits in den achtziger Jahren in der DDR veröffentlicht wurde – trotz oder wegen des »verordneten Antifaschismus« –, und zwar vom Verlag Neues Leben in drei Auflagen in den Jahren 1985, 1987 und 1989. Ein bißchen Gründlichkeit beim Recherchieren, Denken und Schreiben dürfte wohl auch Zeit-Autorinnen nicht schaden …
Thomas Heubner, Berlin-Kreuzberg
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