von Hartmut Pätzke
In einem stabilen und soliden Kartonband von 339 Seiten, einem anschaulichen Buch von Lothar Lang: Buchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Graphik, Illustration, Buchkunst, erschienen in der »Bibliothek des Buchwesens«, begründet von Hans Widmann, als Band 17, herausgegeben von Stephan Füssel, liegt ein neues Buch des besonders zur Geschichte der Buchillustration des 20. Jahrhunderts mehrfach hervorgetretenen Autors vor. Erstmals erscheinen Aufsätze, die bisher an unterschiedlichen Stellen zu finden waren, in einer repräsentativen Auswahl. Bisher lag nur Begegnungen im Atelier, Henschelverlag Berlin 1975 vor, worin Porträts von Künstlern aus der Deutschen Demokratischen Republik vereint sind, die zuvor in der Weltbühne erschienen waren. Ein immer noch lesenswertes Buch.
Nun gewährt Lothar Lang in sechs Kapiteln Einblick in Höhepunkte seiner Beschäftigung mit Graphik, Illustration und Malerbuch seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts bis heute. Die Namen von Mark Lammert und Gerd Sonntag weisen auf Jüngstes. Viele der früher schon veröffentlichten Texte sind überarbeitet. Aus der Weltbühne, für die Lothar Lang seit 1957 bis kurz vor ihrem Ende 1993 kunstkritisch tätig war, stammen vier Beiträge, davon drei aus dem Jahre 1991. Allein der Beitrag über Joseph Beuys ist aus dem Jahr 1988.
Zehn Beiträge erschienen erstmals in den Marginalien, die ab Heft 30 (1968) auf Vorschlag von Horst Kunze im Untertitel als Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie ausgewiesen sind. Texte aus der Kabinettpresse, die Lothar Lang von 1963 bis 1974 in Berlin herausgab, machen auf seinen eigenen Anteil produktiven Wirkens für die Graphik und insbesondere der Beziehung zwischen Literatur und Graphik und auch des Verhältnisses zur Musik aufmerksam. Insgesamt vereint der Band 42 Aufsätze, die in sechs Kapitel untergliedert sind.
Es sind, wie gar nicht anders zu erwarten, wissenschaftlich gediegene Texte, die fast durchgängig den Vorzug haben, gut lesbar zu sein. Die Abbildungen, 94 habe ich gezählt, viele auch farbig, sind Teil des jeweiligen Aufsatzes, ihm ganzseitig zugeordnet. Das ist ausgesprochen leserfreundlich. Dennoch vermisse ich ein eigenes Abbildungsverzeichnis. Hauptsächlich werden die Phänomene Graphik, Illustration und Malerbuch in Deutschland untersucht. Betrachtungen zu künstlerischen Äußerungen aus anderen Ländern erweitern das Gesamtbild. Zu ihnen zählen Pablo Picasso, Max Ernst, El Lissitzky, Josef Lada und Karel Teige, um nur einige Namen zu nennen. Jeder Aufsatz kann für sich gelesen werden. Neugier auf einzelne Phänomene erscheint sinnvoll, um ein umfassendes Bild der Weit- und Weltsicht des Autors zu erhalten.
Lothar Lang, der von 1964 bis zum Jahre 1998 im Auftrag der Pirckheimer-Gesellschaft die Marginalien (Heft 15 bis Heft 150) herausgab, heute die einzige Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie in der Bundesrepublik Deutschland (Harrassowitz Verlag Wiesbaden), hat es verstanden, zugleich selbst als Sammler, seine weitreichenden Kontakte stetig auszubauen. Nähe, ja Freundschaft zu Künstlern und ihren Werken prägen die hier versammelten Texte. Als Direktor des Staatlichen Museums Schloß Burgk richtete er das Pirckheimer-Kabinett ein, in dem die Buchkunst eine Heimstatt fand. Die Hommage an Hermann Glöckner, Wilhelm Rudolph, Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus sei stellvertretend für eine ganze Reihe weiterer Künstler genannt.
Reinhold Busch aus Stuttgart hat das Buch gestaltet. Es ist auf holzfreiem säurefreiem und alterungsbeständigem Papier gedruckt. Leider wird der gute Gesamteindruck der mit 198 Euro wohl die pekuniären Möglichkeiten der meisten potentiellen Bücherfreunde übersteigenden Publikation empfindlich beeinträchtigt: Eine ganze Reihe von Namen und Vornamen, vor allem von Künstlern, sind fehlerhaft.
Das wird auch im Register deutlich, in dem außerdem mehr als ein Dutzend Namen nicht verzeichnet sind. So steht der Slevogt-Forscher Hans-Jürgen Imiela völlig sinnentstellend unter Smiela. Der Maler Siqueiros, den alle Welt in Verbindung mit seinen Vornamen David Alfaro kennt, erhielt den abwegigen Vornamen Diego. Im Text zu Albrecht von Bodecker erscheint der italienische Autor Italo Calvino als Calvin. Auch das Verzeichnis der Literatur auf Seite 323 weist Fehler auf: So heißt der Herausgeber von Bücherlust. Buchkunst und Bücherluxus im 20. Jahrhundert Wulf D. (und nicht Wolf D.) von Lucius. Der Hamburger Verlag heißt Hauswedell & Nolte (und nicht Nolde, wie der Maler).
So lobenswert die Publikation erscheinen mag, wäre bei dem außerordentlich hohen Preis, der durch die farbigen Reproduktionen erheblich beeinflußt worden sein dürfte, Sorgfalt bei der Durchsicht des Typoskripts unbedingt vonnöten. Schließlich hat der 1884 von Karl W. Hiersemann in Leipzig gegründete Verlag, der die Messestadt 1950 verließ und seither in Stuttgart beheimatet ist, außerordentliche Verdienste um das Buchwesen.
Lothar Lang: Buchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Graphik, Illustration, Malerbuch, Anton Hiersemann Stuttgart 2005, 339 Seiten, 198 Euro
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