Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 10. Juli 2006, Heft 14

Bücher ohne Ende

von Mathias Iven

Schon mehrfach wurden an dieser Stelle Ausgaben der von der Berliner Directmedia Publishing herausgegebenen Digitalen Bibliothek angezeigt. Ob es um die mit rund 53000 Gedichten bisher größte im deutschen Sprachraum erschienene Lyrik-Anthologie ging (Blättchen 6/2003) oder um eine Bibliothek der Weltliteratur, die auf mehr als 85000 Bildschirmseiten die Hauptwerke von 122 Autoren und etliche anonyme Schriften präsentiert (Blättchen 7/2004) – immer handelte es sich um Zusammenstellungen mit fast unvorstellbaren Dimensionen.
Vor nunmehr acht Jahren erschien als Band 1 der Digitalen Bibliothek das Sammelwerk Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. Auf mehr als 170000 Seiten wurde hier das literarische Schaffen von 108 deutschsprachigen Autoren präsentiert. Wer gedacht hatte, daß das nicht mehr zu überbieten wäre, wird jetzt eines besseren belehrt. Der 125. Band der Bibliothek, die Anthologie Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky, präsentiert – ja, Sie lesen richtig – auf mehr als 600000 Seiten das literarische Schaffen von über fünfhundert Autoren. Die Sammlung vereint über 2900 teils mehrbändige Werke oder anders ausgedrückt: Der Inhalt der DVD entspricht rund 130 Regalmetern voll Bücher.
Daß solch ein »Mammutwerk« auf bereits Vorhandenes zurückgreift, steht wohl außer Frage. Und so fanden beispielsweise neben der schon erwähnten Ausgabe Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka auch die bereits früher separat veröffentlichten Deutschen Dramen von Hans Sachs bis Arthur Schnitzler, die Deutschen Autobiographien sowie der Band Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke Eingang. Stark erweitert wurde vor allem die Gattung Prosa, »wobei«, so die Herausgeber, »neben Romanen und Erzählungen auch theoretische Schriften, Fabeln und andere Prosadichtungen von über 200 Autoren neu mit aufgenommen wurden«.
Konkret zum Inhalt: Dieser beginnt mit A wie Abraham a Santa Clara und endet bei Z wie Zschokke. Die Palette umfaßt außer den bedeutendsten Romanen, Erzählungen und Dramen auch Libretti, Märchen sowie Gedichte und reicht von der Zeit der ersten neuhochdeutschen Dichtungen bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts (wie schon bei anderen Ausgaben angemerkt, resultiert diese zeitliche Einschränkung daraus, daß mit Blick auf das Urheberrecht nur solche Werke Aufnahme finden, deren Autoren vor mehr als siebzig Jahren verstorben sind).
Wer doch lieber zum »richtigen« Buch greift und nach dem Nutzen solcherart digitaler Sammlungen fragt, sei auf eine andere Aussage der Herausgeber verwiesen: »Es geht dabei nicht so sehr darum, sie alle zu lesen oder zu kennen, sondern bei Bedarf verfügbar zu haben. Denn diese Bibliothek ist … insbesondere dazu da, in dem einen oder anderen Zusammenhang mit Hilfe der Suchwerkzeuge erschlossen und entdeckt zu werden.« Und dieses Erschließen und Entdecken wirft – auch dank der bedienerfreundlichen Software – kaum Probleme auf, im Gegenteil: Schon das Stöbern wird, wie bei einer »lebendigen« Bibliothek, zum Erlebnis.

Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky, Digitale Bibliothek, Bd. 125, 90 Euro