Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 12. Juni 2006, Heft 12

Spröde Schönheit über und unter Tage

von Kai Agthe

Der Eislebener Dichter Werner Makowski (geboren 1950) sagte einmal zu dem Hallenser Dichter Wilhelm Bartsch (geboren 1950), daß alle Versuche, sich dem Bergbau und also dem Mansfeld literarisch zu nähern, gescheitert seien. Diese These ist zwingend, weil das jähe Scheitern am Thema Bergwerk und Bergwerksmythos mit Franz Fühmann (1922– 1984) – der in den siebziger Jahren die Kupfererzbergwerke im Mansfeldischen und die unterirdischen Kali-Kathedralen um Sondershausen befuhr – einen letzten namhaften Vertreter vorzuweisen hat. Der aus seinem Nachlaß herausgegebene Band Im Berg ist eine gewaltige »Wörter-Halde« (Bartsch), aber als literarisches Fragment den Grundsätzen romantischer Poetik durchaus entsprechend. Fühmanns Bergwerk-Projekt verdiente, ein »Heinrich von Ofterdingen« des späten 20. Jahrhunderts genannt zu werden.
Wilhelm Bartsch, der jüngst dem Dichter Novalis als Bergmann Friedrich von Hardenberg einen Gedichtzyklus und in seinem letzten Gedichtband Geisterbahn auch in memoriam dem mansfeldischen Kumpel Franz Fühmann einen lyrischen Text widmete, hat nun mit Des Mannes Feld der spröden Landschaft in der Mitte Sachsen-Anhalts einen Film zugeeignet. Der 33minütige Streifen, der jüngst im Kino Lux in Halle seine Uraufführung erlebte, läßt sich nur schwer einordnen. Eines ist Des Mannes Feld aber nicht: ein Dokumentarfilm. Die Bilder sprechen in diesem Film-Essay für sich. Nur fünfmal ist aus dem Off die Stimme von Wilhelm Bartsch zu hören, der aus Klassikern zitiert: Brüder Grimm, Novalis, Fühmann, Sprüche Salomo und das Evangelium des Johannes. Kein redaktioneller Text, kein Gespräch mit Menschen aus dem Mansfeld im allgemeinen und Bergleuten im speziellen. Das hatte ja bereits Karlheinz Mund geleistet, dessen 1997 in die Studiokinos und in den MDR gelangter Film Das Bergwerk den Spuren Fühmanns in der mitteldeutschen Bergbauregion folgte.
Jakob und Wilhelm Grimm haben in ihren Deutschen Sagen überliefert, wie der Landstrich zu seinem Namen kam. Am Beginn des Films wird die Geschichte erzählt: Ein Mann aus dem Gefolge Kaiser Heinrichs erbat ein Stück Land als Eigentum, das so groß wäre, daß man es mit einem Scheffel Gerste umsäen könnte. Der Kaiser willigte ein, nicht ahnend, daß der Untertan »in scharfem Ritt« den Scheffel verteilte und damit die nachmalige Grafschaft Mansfeld umgrenzte. Darauf Kaiser Heinrich: »Das ist des Mannes Feld!« Das Mansfeld.
Wilhelm Bartsch (Buch und Regie) und Co-Autor Andreas Splett (Kamera, Ton und Schnitt) vertrauen ganz auf die Magie der Bilder. Was sich in einer halben Stunde an Sequenzen bündelt, ist Resultat aus drei Jahren. Wir erleben das Mansfeld im Frühjahr, Sommer und Herbst. Wir sehen die von Abraumhalden wie von archaischen Pyramiden durchzogene Landschaft, in der Windräder ohne Zahl die Riesen sind, gegen die anzutreten, sich noch kein Edler von Mansfeld oder La Mancha gefunden hat. Menschen erscheinen nur in Gestalt von Kumpels, die sich durch die engen Flöze eines Schaubergwerks quälen. Auch der Dichter Bartsch hat einen Kurzauftritt: gedankenverloren streift er über eines der mars-roten Felder. Ob am Tageslicht oder in des Berges Dunkel: überall die Relikte aufgegebener Industrie, die Franz Fühmann seinerzeit noch werktätig erlebte. Hier museal hergerichtet, dort von Grün und Rost umfangen: »Die Natur ist Feindin ewiger Besitzungen«, so hören wir Bartsch Novalis zitieren. Und doch: Auch die Bergbau(folge)landschaft im Mansfeldischen ist, bei aller Sprödigkeit (die sich auch im Habitus des hiesigen Menschenschlages und seines rauen Dialektes bekundet) eine sehr reizvolle Gegend. Das einzufangen, ist dem Film gelungen.
Umrahmt werden die Bilder von der Musik des Ensembles Creativ aus Halle und des Stahl-Cello-Sounds von Jan Heinke, der auch Obertongesang beisteuert. Mit blanken Füßen steht der Musiker auf den scharfgratigen Schieferbrocken des kegelförmigen Abraums und versetzt mit seinem Bogen das Eigenbau-Instrument in Schwingung. Die harmonische Verbindung von Bildern und Tönen läßt das Mansfelder Land als jene mythische Landschaft erlebbar werden, die so viele Dichter in diesem Landstrich erkannt und literarisch beschworen haben. Bartsch und Splett könnte es durch die glückliche Verknüpfung von Bild, Text und Ton endlich gelungen sein, sich dem »geist- und bergbauenden Genius loci« (Bartsch) künstlerisch zu nähern, ohne zu scheitern. Der Eislebener Dichter Werner Makowski wäre zu fragen, ob er das ähnlich sieht …

»Des Mannes Feld« (2006) von Wilhelm Bartsch und Andreas Splett kann als DVD unter www.atv-halle.de für 30 Euro (inklusive Versand) bestellt werden.