von Max Hagebök
Langsam lichtet sich der Qualm der sozialdemokratischen Nebelkerzen, die für Platzecks Abgang geworfen wurden. Der Wunderknabe des politischen Mittelmaßes ist wieder in seiner brandenburgischen Heimat und schmiedet Pläne für die Zeit nach dem Rücktritt. Die haben es in sich.
Sein Ziehvater, der Lügenbaron Stolpe, zeichnet mit unverdrossenem Optimismus einen möglichen Kanzler Matthias an die Klagemauer des politischen Unsinns. Derweil räumt der designierte Vorsitzende Beck mit dessen Ideen über soziale Marktwirtschaft, soziale Gerechtigkeit und über den vorsorgenden Sozialstaat auf. Für Beck ist Platzecks Spiegel-Essay vom 9. April dieses Jahres nicht mehr als ein »Eröffnungspapier«, das er noch überarbeiten werde. Hier liegen die wahren Gründe des Rücktritts des Potsdamer Harlekins.
In einer theatralischen Vorstellung hatte sich der Hoffnungsträger vom Oderdeich von seinem erstaunten Parteivolk und der veralberten Öffentlichkeit verabschiedet. In guter Manier ließ er tränenreich die Geschichte vom kranken Mann kolportieren und speiste die überraschten Zuhörer mit einer langen Krankengeschichte. Demnach war er monatelang nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen.
Da war er wieder, der tapfere Mann aus den bürgerbewegten Zeiten. Er hatte sich aufgeopfert. Mannhaft stand er der Partei bei all ihren Niederlagen bei; erst die Krankheit nahm ihm das Schwert aus der Hand. Leider war diesmal keine ihm geneigte Journalistin in der Nähe, um ihm ein Heldenlied zu schreiben.
Es wäre auch eine zu dicke Lüge geworden. Denn trotz der schweren Krankheiten, um deren langwierige Heilung jeder medizinische Laie weiß, benötigte der Held nur Stunden, um zu gesunden. Heroisch trat ein quicklebendiger Ministerpräsident nach seinem schwersten Hörsturz vor das Brandenburger Publikum und offerierte, daß er auch 2009 wieder zur Wahl als Ministerpräsident anzutreten gedenke. Auch gebe er den Parteivorsitz im Lande nicht ab. Doch soviel Vitalität machte niemanden stutzig. Keine kritischen Nachfragen, ob denn die gesundheitlichen Probleme dies alles überhaupt zuließen.
Doch was sind dann die Gründe für den überraschenden Abgang? Nicht die Krankheit streckte ihn nieder. Es waren seine eigenen Genossen. Die wirklichen Politiker stellten ihn wie einen ungezogenen Jungen in die Ecke und ließen ihn nicht mehr mitspielen.
Der Kanzler für das Innere, Franz Müntefering, hatte sehr schnell erkannt, daß der liebe Matthias dem politischen Geschäft gegenüber völlig ahnungslos ist. Einst hatte dieser unpolitische Zug Platzecks dem Vorsitzenden Müntefering den Rücktritt erleichtert, denn das Menschelnde aus Potsdam tat der SPD gut. Besonders, da die Bundestagswahl gezeigt hatte, daß das politische Profil der SPD nicht mehrheitsfähig ist. Deshalb setzten die Strategen auf einen unpolitischen Sympathieträger, der nach innen die Wogen glätten sollte und öffentlich gut anzukommen versteht. Für diese Funktion war der Platzeck die Idealbesetzung. In weiser Voraussicht wurde ihm der alte Haudegen und mögliche Vorsitzenderersatz Beck zu Seite gestellt. Damit hätte alles gut sein können.
Doch dann kam es zu Reibereien. Der Musterschüler Matthias hatte etwas mißverstanden, denn er glaubte, seine Rolle ausfüllen zu müssen. Plötzlich wollte er der Vorsitzende mit Richtlinienkompetenz sein und ging damit zum wirklichen Vorsitzenden, Müntefering, auf Gegenkurs. Der hatte aber nur einen fleißigen Abnicker und Grußaugust gewollt.
Das Schicksal nahm seinen Lauf. Müntefering bestimmte aus seinem Ministerium die politischen Linien, und Platzeck hechelte müde hinterher. Kaum hatte er eine Idee, mußte er sie relativieren oder gar widerrufen. Die Strategen um Müntefering und Beck erkannten schnell das Konfliktpotential: Platzeck zündelte mit seiner unpolitischen Unbedarftheit an allen Ecken und Kanten. Dies brachte nicht nur keine Pluspunkte beim Wahlvolk, sondern war auch langfristig riskant.
Deshalb zogen die wirklichen Vorsitzenden nach dem Erscheinen des Spiegel-Essays die Reißleine.
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