von Kai Agthe
Heinrich Heine lebte genau 25 Jahre in Paris. Jörg Aufenanger, der erst im Schiller-Jahr den Band Schiller und die zwei Schwestern vorlegte, schildert in Heinrich Heine in Paris des Dichters Jahre der Liebe und des Leids. Es war, als Heine im Mai 1831 an der Seine eintraf (und so lange er jung und gesund war), ein freiwilliges Exil: »Ich befinde mich wie Heine in Paris«, notierte der 33jährige nach der Ankunft. Die Julirevolution von 1830 hatte ihn, den »prussien liberé« (Heine über Heine), in seinem Entschluß, in Paris leben zu wollen, bestärkt. Heine genoß das mondäne Leben der Großstadt mit ihren vielen Dutzend Theatern (er liebte die Musik von Giacomo Meyerbeer, sah allein dessen Oper Die Hugenotten zehnmal) und unzähligen Cafés. Das alles gab ihm auch den Stoff für seine Berichte, die er als Korrespondent an deutsche Zeitungen sandte. Der Dichter entdeckte hier auch die Liebe zu den »Grisetten«, weshalb Jörg Aufenanger in seinem Buch wiederholt bemerkt, daß Heine ein eifriger Bordellbesucher war. Seine letzten Lebensjahre in der »Matratzengruft« verbringend, machte Heine selbst die Lustseuche für seinen Zustand verantwortlich. Ob es sich wirklich um die Spätfolgen einer venerischen Infektion handelte, die ihn ans Bett fesselte, ist nicht verbürgt. Heine, der sich nach 1848 kaum mehr bewegen und dem nur noch Morphium die Schmerzen lindern konnte, sehnte sich mit zunehmender Dauer seiner Krankheit immer stärker in die »überrheinische« Heimat – nach Deutschland. Das aufzusuchen, hatte sich aber schon Jahre zuvor dem Gesunden desöfteren verboten, und zwar aus politischen Gründen. Neben seinen Büchern waren es die für deutsche Printmedien geschriebenen Artikel über Paris, die dafür sorgten, daß die Zensurbehörden mit Argusaugen auf ihn blickten.
Die von Heine in der »Capitale d’Europe« gepflegten Freundschaften, die nicht selten in Feindschaft und Haß endeten oder einfach versickerten, lesen sich wie ein Who is Who der europäischen Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Heinrich Heine verehrte die Schriftstellerin George Sand, so wie sie ihn. Aber diese innige Freundschaft zerbrach. Intensiv war Heines Kontakt zu Alexandre Dumas dem Jüngeren, dem Autor des Romans Die drei Musketiere. Zeugnis dieser Freundschaft ist eine über Jahre geführte Korrespondenz. Im Hause von Karl Marx, auch er zeitweise Emigrant in Paris, war Heine fast täglich zu Gast. Als Autor der von Marx und Arnold Ruge herausgegebenen Deutsch-Französischen Jahrbücher wurde der Dichter einmal mehr auf den Index gesetzt.
Zeiten des Glücks waren für Heine die dreißiger und vierziger Jahre, in denen er den deutschen Lesern Frankreich (beginnend mit Französische Zustände, 1832) und den französischen Lesern Deutschland vorstellte (unter anderem in Zur Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutschland, 1833) vorstellte. In der Schuhverkäuferin Augustine Crescence Mirat, die er Mathilde rief, fand er 1834 die Gefährtin fürs Leben. Er war ihr und sie war ihm gewogen, ohne daß er auf die käufliche Liebe verzichtete. Man will wissen, daß Eifersuchtsszenen, die seitens des Dichters auch in Schläge münden konnten, im Hause Heine nicht selten waren. So steht es auch bei Jörg Aufenanger zu lesen.
Und weil er als Kranker nicht nach Deutschland zurückkonnte, so war Heine froh, eine Deutsche in Paris zu finden: Die aus Torgau gebürtige Elise Krinitz, seine »Mouche«, deren Mann nach England durchgebrannt war. Es war eine letzte, platonische Liebe, die Heines Gattin stillschweigend duldete, weil sie auch ihr Freiraum gewährte. Heine fand auf dem Friedhof Montmartre seine letzte Ruhe. Er hatte diesen Ort gewählt, weil er Pere Lachaise schlicht als zu laut empfand.
Das Deutsch-Französische Jahr, zu dem 2006 erklärt wurde, wird hoffentlich nicht allein an das große Schlachten von Jena und Auerstädt erinnern, sondern auch an den 150. Todestag des Grenzgängers und Vermittlers zwischen beiden Ländern, der als deutscher Jude Harry Heine 1797 im damals französisch besetzten Düsseldorf geboren worden ist.
Jörg Aufenanger: Heinrich Heine in Paris. Mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. 159 Seiten, 12 Euro (Für einen Überblick ist zu empfehlen: Jan-Christoph Hauschild, Michael Werner: Heinrich Heine, München 2002, 158 Seiten, 9,50 Euro)
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