Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 19. Dezember 2005, Heft 26

Wir haben einen Wolf zu beklagen

von Peter Braune

Über Wölfe ist wenig Gutes zu berichten. Sie sind allgemein Charakterschweine: wild grimmig, hungrig, reißend und richtig mordgierig. Darum wurden sie überall von Jägern, die etwas auf sich hielten, angeäst, mit dem Leithund vorgesucht, eingekreist, fürgriffen, erbrochen, gehetzt, gefangen, erbissen und erwürgt. Selbst die Bibel, in der alle Kreaturen mit Milde betrachtet werden, läßt kein gutes Haar am Wolf. Er ist das Sinnbild für den bösen Feind und den falschen Propheten und Irrlehrer, der Hirt und Herde der Kirche bedroht.
Warum um Gottes willen hat die Bundeswehr ihren Geländewagen, einen Mercedes-Benz, seit 1979 in Produktion und seitdem ständig auf dem neuesten Stand der Technik gehalten, Wolf genannt? Allein in den Jahren 1989 bis 1994 wurden nach Angaben der Streitkräfte »mehr als 10000 Mercedes-Benz 250 GD/290 GD in den Ausführungen kurz offen, kurz offen LL (Luftlande), lang offen, Fahrgestell mit Kofferaufbau Sanität, Kastenwagen lang als LL Sanität und als geschützter Personentransportwagen – teilweise Nachrüstung mit Modularer Schutzausstattung (MSA) beschafft«, wobei die MSA »Schutz gegen Schützenminen, Splitter- und Hartkerngeschosse« bietet. Sollten etwa Hirten und Herden aus Mangel an frei herumtrabenden bösen Wölfen durch eine so große Anzahl von im ganzen Land herumstreunenden Geländewagen mit und ohne LL und MSA in ständiger Unruhe gehalten werden?
Nicht unwahrscheinlich ist die Annahme, daß die Streitkräfte einen Griff in vordemokratische Zeiten machten, als Zapfenstreich und Profoß, Schwertstreiche und Wotans wilde Jagden noch eine große Rolle spielten. Tatsächlich billigten die Menschen im germanischen Altertum und im Gegensatz zur späteren christlichen Zeit dem Wolf Stärke und Kühnheit zu. Als Begleiter Wotans erhielt der Wolf eine gehobene mythische Bedeutung. Wolf wurde zum beliebten Mannesnamen bei allen Germanenstämmen, was durch den Skirenfürsten »Habuwulfar/Hacrawulafir« auf dem Runenstein von Istaby ausreichend belegt ist. Hier soll nun nicht die Fortsetzung solch mythischen Denkens durch die Benennung des Hauptquartiers des GröFaZ als Wolfsschanze beschworen werden, um wieder einmal die Streitkräfte der Bundeswehr zu schmähen. »Patrouillenfahren gehört zum täglichen Geschäft der Einsatzkompanie. Der Wolf ist für diesen Job das ideale Fahrzeug.« Und so fahren hunderte von Mercedes-Benz Diesel-Wölfen mit einer Stärke von 68 kW kühn ihre Patrouillen, wohin sie auch immer in die Welt geschickt werden. Als nun vor einigen Tagen wieder einmal so ein Fahrzeug in Kabul gesprengt wurde, kommentierte der scheidende stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberstabsfeldwebel a. D. Wolfgang Ostermeyer nach seinem Bedauern über den Tod eines Soldaten so: »Wir haben einen Wolf zu beklagen. Aber unsere Soldaten werden nicht den Kopf in den Sand stecken und nach Hause gehen.«
Schwejk: Warum eigentlich nicht?