Heute gilt es als chic, für die Weltbühne zu schwärmen. Jüngst ist sogar der Konzernwirtschaft ein Blatt entsprossen, dessen Macher die Weltbühne für sich reklamieren. Dabei ist dieses Schrifttum alles andere als aufklärerisch und emanzipatorisch, auch wenn man sich einige Linke hält.
Als die Weltbühne noch nicht links war, hieß sie Schaubühne und war mit zwölfhundert Lesern ein Blatt für demokratisch gesinnte Bildungsbürger. Weltkrieg Eins, der manches Bürgerkind politisierte, trieb einige nach links – die Weltbühne wurde zu einem unbequemen Wochenblatt für Demokratie und Antimilitarismus. So einzigartig, wie oft zu lesen, war die Zeitschrift jedoch nicht. Aber wer außer Spezialisten kennt heute noch das Tage-Buch von Stefan Großmann und Leopold Schwarzschild, jenes erfolgreiche Konkurrenzunternehmen zu Siegfried Jacobsohns Weltbühne?
Politisch verfolgt waren beide: Carl von Ossietzky mußte nach dem Weltbühnenprozeß 1932 ins Gefängnis; den Chefredakteur des Tage-Buchs, Josef Bornstein, konnte Paul Levi in einem nicht minder skandalösen Prozeß, in dem es um die Ermordung Rosa Luxemburgs ging, 1930 gegen den mächtigen Reichsanwalt Jorns freikämpfen. Vergessen, verweht.
Mehr noch als der Starautor Kurt Tucholsky hat Ossietzkys grausames Schicksal die Weltbühne legendär gemacht. Das Jubiläum des Blattes eignet sich aber nicht nur deshalb nicht für Jubelfeiern. Denn so viel hat sich nicht geändert. Auch wir Heutigen sitzen zwischen allen Stühlen.
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