von Max Hagebök
Alles frei macht der Mai. Welch Wortgespielin treibt mich um, wenn es um die Verfassung meines Europas geht?
Ich bin ein Europäer, auch wenn ich es nie sein wollte. Deshalb wollte ich meinen demokratisch gebildeten Willen bei einer geheimen Abstimmung mit einem Votum dokumentieren. Doch meine entsprechenden postalischen Anfragen bei den geneigten Abgeordneten meines Bundestages verliefen weitgehend ergebnislos. Bis auf Westerwelles FDP und die netten Frauen der PDS gab es keine positive Antwort.
Ich sollte also nicht wählen dürfen zwischen den Alternativen. Dafür machten dies nun der Bundestag und der Bundesrat. Stellvertretend für mich, ohne zu wissen, was ich will. Aber sicherlich zu meinem Besten.
Herzzerreißend komisch finde ich dabei wieder einmal meine Lieblingspartei, die PDS. Besonders die Jungs aus dem ZK der PDS in Berlin übertreffen sich. Frei nach eigenem Gewissen und frei von eigenem Denken wurde beschlossen, Berlin zu retten und Europa auszuliefern. Denen auszuliefern, die – zumindest in der Theorie – bisher von dem sozialistischen aller sozialen Retter aufs Härteste bekämpft werden sollten. In der Praxis stolperte sich die Partei schon seit längerem von historischem Kompromiß zu persönlichem Gutsherrendünken. Da kommt es auf eine verlorene Wählerstimme mehr oder weniger nicht mehr an.
Nur die Mecklenburger PDS erlaubt sich mit ihrer Initiative gegen die Verfassung der EU einen Alleingang gegenüber der ungetrübten Weltsicht sozialistischer Senatoren und dem Weltverständnis deren parteipolitischer Köpfe. Ich hoffe, daß die Nordlichter diesen aufrechten Gang bis zu Ende gehen. Alles ist endlich, auch Koalitionen mit der SPD.
Das Volk als Souverän der Demokratie bleibt vor der Tür und damit eine wichtige Spielregel der Demokratie auf der Strecke. Nicht viel besser steht es mit dem Vertrag. Denn die als elementarer Bestandteil einer Demokratie verstandene Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative wird durchbrochen. Nationale Minister führen Gesetze aus, die sie zuvor auf europäischer Ebene selbst verabschieden.
Für die Mitmenschen, die bei attac und Mehr Demokratie politisieren, ist dieser Vertrag wenig dazu angetan, ein demokratisches Gebilde in Europa entstehen zu lassen. Dagegen schwelgen in der Parteipolitik die Befürworter mehrheitlich in Begeisterung. Besonders die Abstimmung in Frankreich wird von der deutschen Politikprominenz massiv bearbeitet. Schröder und Fischer laufen zur Hochform auf, wenn es darum geht, für ein Ja beim Referendum in Frankreich zu werben.
Es sind diese beiden Spitzendemokraten, die in trauter Koalition mit der CDU/CSU dem eigenen Volk unter Anführung dümmlichster Argumente dieses Recht auf Mitbestimmung verweigern. Ohne sich peinlich vorzukommen, mischen sie sich außerhalb der eigenen vier Wände in einen demokratischen Prozeß ein und unterstellen dem deutschen Michel zugleich, für diese Verfassung zu dämlich zu sein.
Allein dieses Vorgehen der Parteien bei einem Thema, das das demokratische Herzstück unseres Lebens berührt, ist ein ausreichender Grund, diese Verfassung abzulehnen. Allen Bürgerrechtlern ins Stammbuch: Sogar die undemokratische DDR brauchte das Volk, um über die Verfassung abzustimmen.
Wie demokratisch ist die Verfassung? Heide Rühle von den Grünen im Europäischen Parlament wertet sie »als unverzichtbaren Meilenstein, der den lähmenden Stillstand der europäischen Integration überwindet«. Michael Efler und Percy Rohde von Mehr Demokratie sehen gerade in dieser Nutzen- beziehungsweise Ergebnisbetrachtung den eigentlichen Fehler. Denn auch autoritäre Regime legitimieren ihre undemokratische Politik mit der Möglichkeit positiver Wirkungen. Diese Art der Kritik an der Verfassung stellt den nachweislichen Ausschluß des Souveräns von der politischen Legitimation eines geeinten Europas in den Mittelpunkt. Hier wird bewußt nicht inhaltlich, sondern formal argumentiert – und trotzdem der Kern der Demokratie getroffen, egal ob sie nationalstaatlich oder europäisch organisiert ist (www.mehr-demokratie.de/eu-kritik.html). Das verhinderte deutsche Referendum ist ein undemokratischer Akt.
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