von Liesel Markowski
Er ist von der Art des schwärzesten englischen Humors, dieser »Musical Thriller« über den dämonischen Barbier aus der Londoner Fleet Street. Von grausiger Moritat wird berichtet, die Sweeny Todd in später Rache an jenen nahm, die zuvor sein Leben zerstört hatten. Der mächtige Richter Turpin war es gewesen, der ihn grundlos in die Verbannung schickte, seine Frau zur Hure machte und seine kleine Tochter adoptierte. Eine Tragödie mit realem Hintergrund eines Kriminalfalls vom ausgehenden 18. Jahrhundert. Christopher Bond machte 1967 daraus ein Theaterstück mit sozialem Akzent, das Stephen Sondheim zur Grundlage seines Musicals nutzte. 1979 gab es die bejubelte Broadway-Uraufführung, danach Reprisen an vielen Orten im englischsprachigen Bereich, aber auch in Deutschland. Jetzt kann man es in der Berliner Komischen Oper erleben.
Sache ist diese: Sweeny tut sich mit seiner ehemaligen Nachbarin, der Pastetenbäckerin Mrs. Lovett, zusammen, die seine Rasiermesser aufbewahrt hatte und ihm für seinen neuen Barbiersalon zurückgibt. Die durch einen Besucher gestörte Rache (mit dem Rasiermesser) an seinem Feind Turpin überträgt Sweeny nun auf alle Kunden. Mrs. Lovett entsorgt die Leichen in ihrer Produktion. Ihre Manufaktur erlebt einen enormen Aufschwung. Beider Geschäft blüht. Sweeny steigert seine Rache zur Mordorgie. Aber: Ende schlecht, alles schlecht: Beide gehen zugrunde. Lovett wird Todds letztes Opfer, weil sie die Identität seiner von ihm geliebten, unterdessen ebenfalls ermordeten Frau Lucie verschwiegen hatte, ehe er selbst von einem wahnsinnig gewordenen Gehilfen der Bäckerin getötet wird.
Die Aufführung in der Berliner Behrenstraße bietet Unterhaltung, obwohl sie in der Regie des Dramatikers Christopher Bond höchstselbst klamottig und betulich angelegt scheint: im düsteren Londoner Ambiente verwinkelter Häuser, doch praktikabler Schauplätze (Bühne: Dieter Richter), im Reifrock und Zylinder des 19. Jahrhunderts (Kostüme: Renate Schmitzer) findet das Spektakel statt. Pfiff und Witz verbreiten vor allem die beiden Protagonisten: der Sänger Rooger Smeets und die prachtvolle Schauspielerin Dagmar Manzel. Sie verbindet komödiantisches Feuer und prickelnden Soprangesang zu köstlicher Komik. Er gibt mit kräftigem Bariton, wie beim großen Rachesong, Belcanto. Beide geben in Kontrast und Harmonie ein skurriles Paar, auch bei Duetten.
Sondheims phantasievolle Musik spart nicht mit Effekten – vom donnernden Orgelsound bis zum feinen Flötenton – und vielen Anleihen bei der Moderne (unter anderem Berg, Weill, Ravel) und bei der Opernklassik. Im Musikalischen liegt das Plus dieser trotz mancher Behäbigkeit unterhaltsamen Aufführung: neben den Solisten beim Chor (einstudiert von Hagen Enke) beim schwungvoll spielenden Orchester des Hauses und ganz besonders beim sehr agilen Dirigenten Koen Schoots.
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