Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 11. Oktober 2004, Heft 21

Antworten

Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident, Berlin – Ihr Ausleser hat Ihnen – nichts ist unmöglich – vielleicht auch einen Leserbrief aus der Ihnen einschlägig vertrauten Zeitung Neues Deutschland angestrichen, in dem sich ein Magdeburger Leser über Ihre Äußerung mokiert, derzufolge Sie bei Christiansen in bezug auf die Schröderschen Reformen geäußert hätten, daß alle »Einbußen hinnehmen« müßten; und der Mann fragte, welche »Einbußen Sie, Herr Thierse«, hinzunähmen hätten. Da haben wir es wieder mit typischem Populismus zu tun: Als ob denn nicht schon jedes Kind wisse, daß auch Sie in jedem Quartal einen Zehner für Ihren Hausarzt abzudrücken haben …

Stefan Liebich, PDS-Landesvorsitzender, Berlin – deutlicher konnten Sie den Führungsanspruch Ihrer Partei gar nicht ausdrücken: Zwar mußten Sie und etliche Ihrer leitenden Genossen zu den Anti-Hartz IV-Demos wie der Jagdhund zur Jagd getragen werden, aber nun haben Sie sich doch noch auf die führende Rolle der Partei besonnen (auch wenn es eine Rolle rückwärts ist): »PDS-Chef setzt Schlußpunkt unter Hartz-Demonstrationen« (Tagesspiegel); wir verstehen das – schließlich haben Sie in Berlin jetzt genug damit zu tun, Hartz IV umzusetzen.

Wolfgang Herles, ZDF – auf einer RBB-Talkshow bewarben Sie jüngst Ihr neues Buch Wir sind kein Volk, in dem Sie unter anderem fordern, den Wunschtraum vom »Einig Vaterland« endlich zu begraben. Wir werden uns hüten, Ihnen zu widersprechen; Ihre Argumentionen allerdings waren bemerkenswert: Fortwährend zählten Sie auf, wo Ostdeutsche über dieses oder jenes anders dächten als Westdeutsche; auch einmal zu formulieren, daß die »Westdeutschen anders als die Ostdeutschen … « kam Ihnen nicht in den Sinn. So ist das mit der Leitkultur.