von Liesel Markowski
Das sommerliche Kammeropern-Festival im idyllischen brandenburgischen Städtchen Rheinsberg beglückte wieder mit lustvoller jugendlicher Gesangskunst. Eine aus hunderten Bewerbern getroffene Auswahl präsentierte beeindruckende Qualität eines vielversprechenden Nachwuchses – bei schwierigen bis schwierigsten Anforderungen. Denn die Initiatoren um den künstlerischen Leiter Siegfried Matthus wollen keineswegs bloße Belcanto-Bravour feiern, sondern in Programm wie in Gestaltung Anspruch durchsetzen. Dafür sind Spezialisten gefragt, die sich als »Maestri« der verschiedenen Projekte annehmen.
So hatte Harry Kupfer die Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper Otto und Theophanu übernommen. Seine phantasievolle szenische Lösung im engen Rahmen des Schloßtheaters faßt die Barock-Seria mit ihrer endlosen Folge von Rezitativ und Arie spielerisch und locker aus unserer Gegenwart. Nicht in majestätischer Würde getaucht ist das intrigante Verwirrspiel um Brauthandel und dynastische Interessen von Kaiser Otto II. und der byzantinischen Prinzessin Theophanu, es gibt sich vielmehr als quasi dramatische Verkleidung einer jungen Operntruppe von heute. Sie entdeckt gleichsam singend und agierend die in Händels Musik überdauernden humanen Werte und läßt beim »lieto fine« die Partiturseiten fröhlich durch die Luft wirbeln. Die prächtigen Kostümroben (Yan Tax) werden abgeworfen, sobald es um die »singende Seele« der Protagonisten geht. Auf den dreigeteilten Bühnenschrägen mit den geographisch gekennzeichneten historischen Schauplätzen Rom – Byzanz von Hans Schavernoch bewegt sich die Truppe in schnellem Szenenwechsel um das Machtspiel einer riesigen Zeigefingerhand, finden Zinnsoldaten-Kriege, Miniatur-Seeschlachten und Puppenspiele statt. Musikalisch wirkte diese Phantasie der Szene durch schleppende Tempi und lastendes Pathos des Dirigenten Roger Boggasch besonders im ersten Teil gebremst. Auch klangliche Dämpfung des gut zur Sache wirkenden, aber in einer stoffbespannten Seitennische plazierten Preußischen Kammerorchesters Prenzlau brachte Nachteile. Bemerkenswert war die Qualität des Gesanglichen, wenngleich mit dem Mangel absoluter Textunverständlichkeit belastet. Gerade dies machte es unmöglich, den Handlungsverlauf nachzuvollziehen, zumal es auch im Beiheft keinerlei Information dazu gab.
Außergewöhnliches ist in Rheinsberg stets angesagt. Diesmal gehörte Der singende See dazu mit Abendliedern aus Boten in traumhafter Naturszene und ein »Concerto delle donne« in der Laurentiuskirche mit Madrigalgesängen aus dem 16. und 17. Jahrhundert als Kooperation mit der Musikhochschule Mainz. Nachgezeichnet wurde das Leben Carlo Gesualdos, fürstlicher Schöngeist und genialer Komponist aus Neapel, dem die historische Skandalchronik (1590) einen grauenhaften Mord und Leichenschändung seiner untreuen Ehefrau und deren Liebhaber anrechnet – der in einem Prozeß ungeschoren blieb, neu ehelichte und in Ferrara für ein einzigartiges Ensemble virtuoser Sängerinnen komponierte. Spiel, Liebe, Eifersucht, Tod werden in einer Folge kunstvoller Madrigale von Gesualdo und seinen Zeitgenossen besungen: dargestellt am Schachspiel auf schwarzweißem Podest (Regie und Bühnenbild: Claudia Eder) und in wunderschönen schwarzweißen Kostümen (Elena Meier-Scourteli), mit feinen stilisierten Bewegungen und perfektem, artistischen Gesang, den Christian Rieger vom Cembalo aus dirigiert und Gerd Demerath auf der Laute begleitet hat. Weniger ansprechend dagegen war das zweite Mainzer Angebot mit einer Kombination von ermüdender mittelalterlicher Gregorianik, Rilke-Lyrik und sehr feinen Improvisationen auf der Baßklarinette.
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