von F.-B. Habel
Die Bösebrücke, die auf der Bornholmer Straße die Berliner Bezirke Wedding und Prenzlauer Berg verbindet, wurde nach dem Antifaschisten Wilhelm Böse benannt, aber der Volksmund nennt sie die Bornholmer Brücke. Nie werde ich die Kleingärtner auf der Westseite vergessen, die am 10. November 1989 die strömenden Ostberliner Massen mit selbstgemachtem Schnaps freihielten. Das Kleingartenareal gibt es hier seit 1896, und es wurde schon bald durch die Bahntrasse geteilt. Seit dem 13. August 1961 existierten die Kleingartenkolonien an der Bösebrücke im Schatten der Mauer. Ein Idyll an der Nahtstelle zweier Weltsysteme. Diese Situation hat auch Künstler immer wieder inspiriert. Uwe Kolbe nannte einen Gedichtband, der in den achtziger Jahren bei Aufbau zwei Auflagen erlebte, nach der Anlage am S-Bahnhof »Bornholm II«. »Die zerschmissenen / Scheiben dann des Bahnhofs ohne / einen Halt (wann zerschmissen, wem / trat funkelnd das Blut in die Augen / und quoll in die Schläfen: zu / sichtbar, zu schwach, gerad vom Leib, / nicht Höhe genug), aber Aufwind, / Entschwinden. Hinüber fällt dann / Blatt zu Blatt in nährreichen Tod, / den Humus / eines westberliner Schrebergartens.«
Wenn ich mit Freunden zwischen den Bahnhöfen Schönhauser Allee und Pankow direkt an der Mauer entlangfuhr, stachelten wir uns gegenseitig an, die Notbremse zu ziehen. Niemand traute sich. Es hätte auch keinen Zweck gehabt, denn hier war sie abgeschaltet, wie ich vor kurzem erfuhr. In dem Ostberliner Schrebergartengelände der Kolonie »Bornholm I« fand ein freies Theaterprojekt (mit Unterstützung der Akademie der Künste) seine Uraufführung. Roland Brus, der vor vielen Jahren aus Wuppertal nach Berlin kam und hier vor allem durch seine Arbeit mit dem Obdachlosentheater Ratten 07 auffiel, hat Gespräche mit vielen Schrebergärtnern geführt und das Ganze zu dem Spektakel Parzelle Paradies verdichtet. Die Besucher durchwandern, mit einem Klappstuhl ausgerüstet, zwei Stunden lang die Anlage. An verschiedenen Stationen posieren Kleingärtner und sprechen Texte aus ihrem Leben. Da begegnet man der älteren Dame, die über die »Formel 1« genaue Statistiken führt, oder einem Mann, der Angst vor einem Flugzeugabsturz auf seiner Parzelle hat. Die Tegel anfliegenden Maschinen hat Roland Brus gleich in sein Konzept eingefügt. Daß das Idyll zwei Seiten hat, zeigen die Auftritte von Menschen, deren Leben vom Mauerbau so oder so beeinflußt wurde. Brigitta Pistorius kommt im Wagen angebraust und erzählt, wie sie um ihre Ausreise kämpfte. Andere Kleingärtner schildern das Leben am Grenzstreifen, wo man sich auch gut einrichten konnte: »Die Mauer an sich war für uns ein absolutes Plus. Die war so dick! Nachtspeicherwärme! Meine Tomaten und Erdbeeren habe ich immer 14 Tage eher geerntet als die anderen.«
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