Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 26. April 2004, Heft 9

Laptop-Schnüffler

von Max Watts, Annandale

Im August 2002 schrieb der australische Journalist John Macgregor einen längeren Artikel über die Sekte Elan Vital des indischen Guru Maharaji, der neben diversen anderen »Geschäften« auch in Ipswich, Queensland, das große »Ivory Rock Conference Centre« (IRCC) betreibt. Macgregor’s Beitrag, der im Good Weekend, der Wochenend-Beilage des Sydney Morning Herald und des Melbourne Age erschien, analysierte die Sekte und deren Guru. Und zwar von Innen, denn der Autor war einst selbst viele Jahre lang Mitglied von »Elan Vital«.
Seine ironische Selbstbefragung, wie er und seinesgleichen dieser Hirnwäsche über den »Inneren Frieden« damals nur glauben konnte, hätte die Sekte wenig gestört; es gab schließlich schon etliche andere Ehemalige, die dies öffentlich bereits getan hatten. Die intime Feindschaft des Maharaji und seiner vorgeblich rein religiösen Sekte hat sich Macgregor vielmehr dadurch zugezogen, daß er auch die millionenschweren Geschäfte des Kultes durchleuchtete: Die steuerfreien »Gaben« der Elan-Vital-Gläubigen – so Macgregor – flossen und fließen eben nicht nur in die religiöse Arbeit des IRCC-Centers, viel wandern sie zu großen Teilen über ebenso verzweigte wie versteckte Wege zu einer »Myrine Investment Ltd.«, einer auf der Kanal Insel Jersey registrierten GmbH. Dortige Gesetze verhindern die Transparenz solcher Gesellschaften mehr, als sie zu einer solchen verhelfen. Aber Myrine, so Macgregor, ist zumindest zum Teil Besitz des einst aus Indien stammenden Sektenchefs Maharaji. Der Guru, heutzutage mit Kalifornien als Hauptwohnsitz, ist auch als Prem Pal Singh Rawat bekannt und wird von manchen als ein verspäteter Konkurrent des verstorbenen Poona Baghwan beschrieben.
Vierzehn Monate nach dem Erscheinen seines Artikels, im Oktober 2003, machte Macgregor Ferien in Perth. »Gerade als ich startete, um ins heimatliche New South Wales zurückzufahren, erschienen einige Herren vor meiner Tür und sagten, sie wollten in meinen Laptop hineinschauen. Ich sagte, sie sollten zum Teufel gehen, und fuhr los.« Das erwies sich im nachhinein als ein teurer Fehler. Diese Menschen handelten im Auftrag nicht nur der Maharaji Sekte, sondern auch des Obersten Gerichts von Queensland. Dort hatten die Maharajis den Journalisten verklagt: Macgregor hätte interne Dokumente der Sekte von einem verprellten Mitglied bekommen. Die seien »gestohlenes Gut«, das die Sekte zurückhaben wolle. Und deswegen seien sie auch berechtigt, seinen Laptop zu inspizieren
Das Gericht hatte dieses Ansinnen bestätigt, allerdings hatte niemand Macgregor darüber etwas mitgeteilt. Der Journalist wandte sich an sein heimatliches Gericht in Brisbane und bestätigte dort, daß sein Computer selbstverständlich Informationen vieler Quellen enthalte. Dies sei Teil seiner normalen journalistischen Arbeit, ebenso wie der Austausch von Informationen mit anderen, die zum Beispiel die Umtriebe der Maharaji-Sekte untersuchen. Die elf Dokumente, um die es diesbezüglich ginge, wiesen auf illegale Geschäfte der Sekte hin. (Anscheinend handeln sie von »geheimen« Spenden an die Sekte, und auch dessen Weiterleitung). Die Richter allerdings hatten sich bereits die Position der Sekte zu eigen gemacht: daß es sich nämlich um sensible, aber keineswegs illegale Geschäftsdokumente handele.
Macgregor wurde jedenfalls verboten, diese Informationen irgendwie zu benutzen. Sein Laptop wurde vor Gericht durchsucht, diese Dokumente waren allerdings nicht darin zu finden. Für seine Verweigerung gegenüber den ihm unbekannten Herren in Perth, bekam er wegen »Mißachtung des Gerichtes« eine Strafe von 2000 australischen Dollar. Der eigentliche Hammer kam aber erst: Das Gericht (wir sind noch
im Oktober/November 2003) ordnete totale Schweigepflicht an! Weder Macgregor noch sein Anwalt – niemand habe das Recht, irgendjemandem irgendetwas über diese Angelegenheit mitzuteilen. Für einen Journalisten ein tödliches Urteil. Erst am 1. März, vier Monate später also , wurde dieser richterliche Befehl aufgehoben. Dafür aber wurde Macgregor auferlegt, die Kosten der Sekte zu bezahlen, die diese für seine jahrelange Bespitzelung aufgewendet hat. Erst war von 58 000, jetzt gar von an die 100 000 Dollar (rund 60 000 Euro) die Rede.
Die Maharaji-Sekte jubelt: »Das wird den ›Haß-Gruppen‹ und ›Scheinjournalisten‹ eine Lehre sein. Sie können nicht einfach private Information über unschuldige Menschen stehlen, die in der Organisation mitmachen«.
Ob Maharaji weiterhin vielleicht illegal Millionen von Dollars einkassiert, das – so glaubt man – werden andere Journalisten jetzt nicht mehr so schnell recherchieren. Macgregor immerhin gibt nicht einfach auf sondern geht in Berufung. Er weiß aber auch: »Die versuchen einfach, mich Pleite zu machen. Für die Rechtswege haben sie viel mehr Geld als ich.« Ob die sonst so für die Pressefreiheit engagierten Medien-Sachwalter Australiens da einspringen, ist leider nicht sicher …