21. Jahrgang | Nummer 5 | 26. Februar 2018

Antworten

Olaf Scholz, Spaßmacher aus Hamburg – Als Hauptredner einer derzeit recht traurig daherkommenden Partei – die Pietät verbietet es uns jetzt, den Namen zu nennen – zum politischen Aschermittwoch einen guten Witz zu landen, ist höllisch schwer. Ihnen ist das gelungen: „Die neue Bundesregierung hat also einen neuen Start“, verkündeten Sie mit ihrer allseits gefürchteten hanseatischen Lockerheit in Vilshofen. Chapeau!

Sibylle Berg, geschätzte Spiegel-Kolumnistin – „Dass Fremde reiche Firmen übernehmen, Häuser und Hotels und ganze Innenstädte aufkaufen, zählt nicht, das sieht man nicht“, haben Sie jüngst zum Thema Hass auf das Fremde ein scheinbar merkwürdiges Dilemma in Sachen kollektiver Reaktionen auf relevantes Zeitgeschehen konstatiert und fortgeführt: „Und nie sind es in Zeiten der wirtschaftlichen (gefühlten oder realen) Stagnation Banken, Steueroasen, Panama Papers oder Privatisierungen von gesellschaftlichem Eigentum, die den Hass der Massen mobilisieren. Immer ist es der Fremde. Ist einfacher. Lässt sich besser vermitteln.“ Dies ist keine ermutigende Feststellung, aber sie dürfte nur schwer zu leugnen sein. Sie befinden sich mit Ihrer Erkenntnis übrigens in allerbester Gesellschaft: „Ausländer, Fremde, sind es meist, / Die unter uns gesät den Geist / Der Rebellion. Dergleichen Sünder, / Gottlob! sind selten Landeskinder.“ (Heinrich Heine: „Aus Krähwinkels Schreckenstagen“).

Ray Stanford, Nordosaurus-Kenner – Nur wenigen gelingt es, die NASA in patriotischen Zeiten von galaktischen Höhenflügen abzuhalten. Das Goddard Space Flight Center der genannten Agentur wollte jetzt in der Nähe von Washington D.C. irgendetwas Gigantisches bauen. Sie fanden Ihnen vertraute Fußspuren eben jenes Nordosaurus, eines tonnenschweren Viechs aus der Kreidezeit, nebst weiteren 70 Fußstapfen von mindestens acht sehr, sehr alten anderen Tieren in der national bedeutsamen Baugrube… Das stoppte erst einmal das Projekt. Für uns ist das ein wunderbares Symbol dafür, dass die Lösung der Probleme des blauen Planeten immer noch wichtiger ist als die Besiedlung von Mond und Mars durch überdrehte Menschlinge oder Elektroautos. Mr. Stanford, buddeln Sie weiter!

Donald Trump, intellektuell schwer Unterbietbarer – Als Reaktion auf das jüngste Massaker an einer Schule Ihres Landes haben Sie angeregt, die Lehrer zu bewaffnen. Das entspricht etwa den Erwartungen, die man an Sie haben durfte. Durchschlagender dürfte ein Erfolg gegen das Morden an Schulen indes sein, nähme man die Empfehlung eines Satireblatt ernst, ganz einfach alle Schulen zu verbieten. Dort verübten Anschlägen wäre dann ein verlässliches Ende beschieden.

Martin Schulz, politischer Verkehrsunfall – Für solche Erscheinungen wie Sie dürfte die Bezeichnung “Muster ohne Wert” noch einem Euphemismus gleichkommen. Und wer bis zur Bundestagswahl noch nicht begriffen haben wollte, was für ein Windei ohne Tiefgang und Charakter Sie sind – einzig und allein dem Bestreben aller Fettaugen verpflichtet, immer oben zu schwimmen –, der muss hernach aus allen Wolken gefallen sein:
Eine neue Groko – mit Ihnen niemals!
Sie als Minister in einem Kabinett unter Merkel – undenkbar!
Diese Positionen gaben Sie nahezu so rasch wieder preis, wie Sie sie formuliert hatten. Dann bescherten Sie dem Land eine demokratische Innovation auf AfD-Niveau: Die Mitglieder Ihrer Partei (= 0,7 Prozent der bundesdeutschen Wahlberechtigten) dürfen entscheiden, ob das Land die ausgekungelte Regierung bekommt oder nicht. Und schließlich delegierten Sie auch noch Ihre Wahlfunktion als SPD-Vorsitzender mal eben von heute auf übermorgen weiter, um nur ja Ihrem persönlichen Entschluss, nunmehr Außenminimister (unter Merkel!) zu werden, den Weg zu ebnen.
Das war allerdings und gottseidank eine Pirouette zu viel, und sollte es überdies Ihre letzte gewesen sein, wir – um ein viel gescholtenes Wort vielleicht doch mal an einer richtigen Stelle zu gebrauchen – weinten Ihnen keine Träne nach.

Gabor Steingart, geschasster Handelsblatt-Herausgeber – Wäre Martin Schulz schlussendlich nicht allein Manns genug gewesen, sich das politische Grab zu schaufeln, in das er sich als selbst designierter Außenminister jetzt gebettet hat und wäre der hiesigen Mainstreamjournaille ein größerer Anteil daran zuzusprechen – Ihnen gebührte die Adelung als primus inter pares. Sie hatten schon, als Schulz wie „Kai aus der Kiste“ zum SPD-Chef und -Kanzlerkandidaten emporgeschossen war, die rosa Brille gar nicht erst aufgesetzt und in bester Hans Christian Andersen-Manier konstatiert, Schulz sei „im Volk weithin unbekannt […]“ und ein Mann, „der die Zulassung zum Abitur nicht schaffte, wenig später zum Trinker wurde, bevor er als grantelnder Abstinenzler für 22 Jahre im Brüsseler Europaparlament verschwand“. Das war der Auftakt, und diese Latte haben Sie bis zum Schluss nicht gerissen.
Als Sie Schulz mit seinem Bestreben, Siegmar Gabriels Stuhl als Außenminister für den eigenen Hintern frei zu räumen, allerdings jetzt die Absicht unterstellten, „nichts Geringeres […] als den perfekten Mord“ zu planen (Morning Briefing vom 07.02.2018), soll das, so Der Spiegel, Ihrem Verleger Dieter von Holtzbrinck über die Hutschnur gegangen sein. Die Folgen teilte Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe im Morning Briefing vom 12. Februar mit: „Gabor Steingart hat die Handelsblatt Media Group verlassen, was die Redaktionen der Gruppe sehr bedauern. Zu Recht hat unser Verleger Dieter von Holtzbrinck […] vor allen Mitarbeitern gesagt: ‚Das Multitalent Gabor Steingart hat in wenigen Jahren zunächst das Handelsblatt, danach die gesamte Handelsblatt-Gruppe auf großartige Weise weiterentwickelt und erneuert, was höchsten Respekt und größten Dank verdient.‘ […] Ich und die Handelsblatt-Redaktion wären diesen erfolgreichen Weg der Erneuerung gerne mit ihm weitergegangen.“
O tempora, o mores.

Petro Poroschenko, das Orakel aus Kiew – Im Herbst 2017 schockten Sie mit der Nachricht, dass es „immer mehr Hinweise darauf [gibt], dass Russland einen Offensivkrieg von kontinentalen Ausmaßen plant“. Und kürzlich warfen sie dem Kreml gar einen „Krieg gegen die zivilisierte Welt“ vor. Zwar gebrach es Ihnen bei diesen wie bei zahllosen anderen Gelegenheiten an solchen Petitessen, deren Synonyme Beweise genannt werden, aber das muss Ihnen keine schlaflosen Nächte bereiten. Hiesigen und anderen westlichen Medien gelten Sie ja quasi als Investigativborn sui generis – da genügt das Zitat!
Schon belastbarer ist die Beweislage allerdings, wenn es um andere Fragen geht. Etwa ob Sie Ihr Schokoladenimperium veräußert haben, um Interessenkonflikte zu vermeiden, wie Sie am Beginn Ihrer Präsidentschaft angekündigt hatten: mitnichten. Anfang des Jahres strahlte das ukrainische Fernsehen Bilder aus, die Sie mit Familie beim orthodoxen Weihnachtsfest zeigten. Tatsächlich, so wusste jetzt ein einschlägiges Hamburger Nachrichtenmagazin zu berichten, machten Sie und Ihre Lieben Urlaub auf den Malediven. Anflug im Privatjet, Refugium auf einer eigens angemieteten Insel. Die eine Woche soll eine halbe Million Dollar gekostet haben – standesgemäß, wie man es von jemandem erwarten darf, der seinerzeit mit der Losung „Auf neue Weise leben“ zur Wahl angetreten war. Dass der Kampf gegen die Korruption in Ihrem Lande inzwischen zu traurig ist, um wenigstens noch als Lachnummer durchzugehen, und dass Sie die Realisierung des Minsker Abkommens mindestens so torpedieren, wie es Putin regelmäßig vorgehalten wird – Schwamm drüber. Sie sind der Mann des Westens. Und solchen wird vieles nachgesehen – wie etwa in den 1980er Jahren, als Washington sich dem irakischen Diktator Saddam Hussein annäherte. Die Haltung des damaligen Sicherheitsberaters von US-Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski, dazu wurde so beschrieben: Saddam mochte zwar „ein Hundesohn sein, aber er war unser Hundesohn“.

Berthold Kohler, Mit-Herausgeber der FAZ – Unangenehm aufgefallen waren Sie uns vor längerer Zeit schon einmal – als Sie in Ihrer Hauspostille „das für deutsche Hirne ganz und gar Undenkbare, die Frage einer eigenen nuklearen Abschreckungsfähigkeit“ thematisierten. Oder anders ausgedrückt: Sie forderten, Deutschland unter dem Vorwand mit Trump verbundener sicherheitspolitischer Unwägbarkeiten gegen alle eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Kernwaffenmacht aufzumotzen! Ihr Vorschlag, Teufel mit Beelzebub auszutreiben, verklang seinerzeit unerhört.
Nun haben Sie der CDU also einen neuen Heiland entdeckt: „Ein richtiger Knaller wäre es […], wenn Merkel einen zurück in die Politik holte, der diese nicht zuletzt ihretwegen verlassen hatte.“ Denn – Heiland: „Dann müsste die CDU auch eine Neuwahl nicht fürchten, falls die SPD vollends durchdrehte.“ Und der Name des Wunderknaben? „[…] der Mann heißt Friedrich Merz.“
Wie bitte? Mä, eh, Merz? War das nicht einer von den Andenpakt-Vögeln, die, soweit sie in der Union nach Höchstem strebten, allesamt an „Kohls Mädchen“ zerschellt waren und erst neuerdings wieder aus ihren Löchern kriechen, weil sie Kanzlerinnen-Dämmerung, respektive Morgenluft wittern?
Merz – das war auch der mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel, der erst jüngst die Unbedarfteren unter Ihren FAZ-Lesern („Dahinter steckt nicht immer ein kluger Kopf.“) wieder mal mit einer Verarsche („5 Euro am Tag reichen, um reich zu werden“) gefoppt hat.
Sagen Sie mal, werter Kollege Kohler, liegt eigentlich die intellektuelle Messlatte für eine Mit-Herausgeberschaft in Ihrer Gazette so tief, dass nicht einmal Shemika Charles eine Chance hätte?
Die kennen Sie nicht?
Ist ’ne Limbo-Weltmeisterin …

Pita Taufatofua, Bewundernswerter – Das IOC gibt sich verdammt viel Mühe, den „olympischen Gedanken“ – was auch immer das einmal war – zugrunde zu richten. Glücklicherweise tauchen aber immer wieder Sportler wie Sie auf, die den Herrschaften einen Strich durch die Rechnung machen und der lebendige Beweis dafür sind, dass die Freude an der Teilnahme entscheidender ist als ein Platz auf dem Treppchen je sein kann. Zum 15-Kilometer-Langlaufwettbewerb im freien Stil traten Sie mit der Erklärung an, nicht gegen einen Baum fahren und außerdem im Ziel ankommen zu wollen. Das schafften Sie immerhin mit einem drittletzten Platz. Zum Spotten ist das kein Grund: Sie vertreten das Königreich Tonga. Das ist eher durch Korallenriffe und kokospalmengesäumte Sandstrände denn durch Skiareale berühmt. Und von wegen „polynesisches Weichei“ – während man etlichen scheinbar schneegewohnten Top-Athleten aus nordischeren Regionen das Bibbern von den Lippen ablesen konnte, marschierten Sie fahneschwingend zur Eröffnungszeremonie mit nacktem Oberkörper ein. Zu den nächsten Sommerspielen wollen Sie, wie zu hören ist, als Turmspringer antreten. Wasser gäbe es schließlich auf Tonga genug. Stimmt.
Pita Taufatofua, wir mögen Sie sehr!

Victor Orban, Wolkenaugur aus Pannonien – Dunkle Wolken lägen über Europa, ließen Sie kürzlich in einem Bericht über die „Lage der Nation“, der ungarischen natürlich, verlauten: „Nationen werden aufhören zu existieren, der Westen wird fallen, während Europa nicht einmal bemerken wird, dass es überrannt wurde.“ Wir können Sie beruhigen. Vor etwas über eintausend Jahren wurde Europa ständig überrannt und ging dennoch nicht unter. Sie können das quasi vor der eigenen Haustür studieren: Auch wenn es noch nichts mit dem sündhaft teuren Umzug Ihrer Kanzlei auf den Budaer Burgberg wurde, so werden Sie doch für einen Sonntagsspaziergang durch das dort ansässige Historische Museum sicherlich ein Stündchen abknappsen können. Dort sind die Artefakte der den Westen permanent überrannt habenden Horden ausgestellt. Diese Leute zivilisierten sich später äusserst erfolgreich. Es waren die Ungarn. Bleiben wir doch etwas gelassener und erheben das Glas auf die nächsten eintausend Jahre: Egészségére!

Wayne LaPierre, Chef der National Rifle Association (NRA) – Dass Sie und Ihresgleichen jedwede Einschränkung des privaten Waffengebrauchs fürchten wie der Teufel das Weihwasser ist bekannt und aus Profitsicht leider sogar folgerichtig. Dass Sie aus dem nun schon fast permanenten Wahn ausrastender Killer öffentlich eine Philosophie mit Ursachen-Umkehr machen, sollte eigentlich geeignet sein, auch Sie zu eben jenem Teufel zu schicken: „Das Einzige, das einen bösen Menschen mit einer Waffe stoppen kann, ist ein guter Mensch mit einer Waffe.“ Man glaubt es kaum. Noch einen drauf setzt Her Masters Voice, die NRA-Sprecherin Dana Loesch: Die Medien „lieben Massaker“. „Weinende Mütter sind gut für die Quote.“ Eine Abbildung zeigt die Dame mit einem brennenden Feuerzeug an einer Ausgabe der New York Times – vielleicht erleben wir ja unter Trump noch eine öffentliche Zeitungsverbrennung.