von Thomas Parschik
Dem Rollenbild ihrer Zeit entsprach Ida Pfeiffer in keiner Weise. Von ihrem Vater bis zu dessen Tod wie ein Knabe erzogen, mochte sie weibliche Kleidung sowie Hand- und Hausarbeit überhaupt nicht. Statt am heimischen Herd zu bleiben, bereiste die 1797 in Wien geborene Weltenbummlerin im Jahre 1842 Palästina und Ägypten, drei Jahre später Island, Norwegen und Schweden, und unternahm zwischen 1846 und 1855 zwei Weltreisen.
Die Reiseberichte, die sie darüber schrieb, sind durch ihre Scharfzüngigkeit und ihren Sarkasmus gekennzeichnet. Alexander von Humboldt beschrieb sie in einem Empfehlungsschreiben folgendermaßen: „Diese Frau ist nicht bloß berühmt durch die edle Ausdauer, welche sie inmitten so vieler Gefahren und Entbehrungen zweimal um die Welt geführt hat, sondern vor Allem durch die liebenswürdige Einfachheit und Bescheidenheit, die in ihren Werken vorherrschen, durch die Wahrheit und Reinheit ihres Urteiles und durch die Unabhängigkeit und zu gleicher Zeit Zartheit ihrer Gefühle. Des Vertrauens und der Freundschaft dieser achtbaren Frau genießend, tadle ich, bewundere jedoch dabei nicht weniger diese unbezähmbare Energie des Charakters, welche sie überall gezeigt hat, wohin sie gerufen – oder besser gesagt, getrieben wurde durch die unbesiegbare Leidenschaft, die Natur und die Gebräuche der verschiedenen Menschenrassen zu erforschen.“
Pfeiffer sammelte auf ihren Reisen Insekten, Pflanzen und Mineralien und war – in dieser Hinsicht ein Kind ihrer Zeit – von der Überlegenheit der europäischen über alle anderen Kulturen überzeugt. Ihre Schilderungen fremder Völker sind nach heutigen Maßstäben nicht politisch korrekt. Sie hat aber auch ihre eigene Kultur hinterfragt: „Unsere Zivilisation hat die Formen verfeinert, aber die Taten sind dieselben geblieben. Der Wilde erschlägt seine Feinde mit der Keule – wir töten sie mit Kanonen; der Wilde hängt Skalpe, Schädel und ähnliche Trophäen in seiner Hütte auf – wir malen sie auf Leinwand und zieren damit Paläste. Was ist da im Grund für ein Unterschied?“
1857 erhielt Pfeiffer durch die Vermittlung des französischen Unternehmers Joseph-François Lambert die Erlaubnis, das Königreich Madagaskar zu bereisen. Die Insel wurde von Ranavalona I. regiert. 1782 geboren, übte diese Königin seit dem Tod ihres Mannes Radama I. im Jahre 1828 bis zu ihrem eigenen 1861 die Alleinherrschaft aus. Sie regierte autoritär, ließ viele tatsächliche und vermeintliche Feinde inhaftieren, foltern und hinrichten. Unter ihrer Regentschaft wurden fast alle Ausländer ausgewiesen und der christliche Glaube verboten. Die europäischen Zeitungen schilderten die Gräueltaten Ranavalonas I. ausführlich und mit den für die Presse üblichen Übertreibungen.
Ranavalona I. ließ den Manjakamadiana-Palast auf dem Rova von Antananarivo errichten. Er dominiert bis heute die gesamte Palastanlage. Dort erhielt Pfeiffer mehrere Audienzen und erfreute die Herrscherin und den Kronprinzen Rakoto, den späteren König Radama II., mit ihrem Klavierspiel.
Nach einem Abendessen im Gartenhaus von Joseph-François Lambert am 6. Juni 1857, bei dem auch Rakoto anwesend war, eröffnete ihr der Unternehmer Jean Laborde, dass die Teilnehmer des Essens planten, die Königin zu stürzen, und zeigte ihr in seiner Hütte versteckte Waffen. Pfeiffer war unversehens in eine äußerst gefährliche Situation geraten. Der Putsch war für den 20. Juni 1857 geplant. Der Plan sah vor, nach einem gemeinsamen Abendessen getrennt nach Hause zu gehen und sich nachts um zwei Uhr am Königspalast zu sammeln. Der Oberbefehlshaber der Palastwache, Fürst Raharo, werde sie einlassen. Dann sollte die Königin für abgesetzt erklärt und Rakoto zum König proklamiert werden. Rakoto werde sofort die alten Minister entlassen und ein neues Kabinett bilden. Dann sollten die Geschütze feuern, damit sich das Volk versammle, um vom Regierungswechsel Kenntnis zu nehmen und dem neuen Herrscher zu huldigen.
Die Europäer wollten damit die Gewaltmaßnahmen der Herrscherin, insbesondere die Christenverfolgung beenden. Rakoto legte großen Wert darauf, dass seine Mutter nicht getötet oder verletzt werden dürfe.
Der Staatsstreich kam allerdings nicht zur Ausführung, weil Fürst Raharo erklärte, die Tore am besagten Abend nicht vereinbarungsgemäß öffnen zu können, da in dieser Nacht nicht ausschließlich ihm ergebene Offiziere Dienst täten.
Die Königin erfuhr schließlich von dem geplanten Umsturz. Gegen die Europäer wurde ein Prozess angestrengt, der mit der Ausweisung der Angeklagten endete. In einem dreiundfünfzigtätigen Marsch wurden die Ausgewiesenen durch malariaverseuchtes Gelände zum Hafen Tamatavé gebracht, wobei Pfeiffer sich eine schwere Form dieser Krankheit zuzog. Sie selbst mutmaßte, die Königin habe von einem direkten Todesurteil abgesehen, um nicht eine Intervention europäischer Mächte zu provozieren, und stattdessen darauf gesetzt, dass die Malaria die Europäer hinwegraffen werde.
Ihre Erlebnisse auf Madagaskar schilderte Pfeiffer in dem Buch „Verschwörung im Regenwald“, das postum erschien. Es gilt als der einzige zeitgenössische Bericht eines Augenzeugen des versuchten Staatsstreichs.
Nach ihrer Ausweisung fuhr Pfeiffer nach Mauritius, von wo sie eine Reise nach Australien plante. Ihre Malariaerkrankung verschlechterte sich jedoch rapide und zwang sie, nach Wien zurückzukehren. Dort erlag sie in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober 1858 der Krankheit.
Pfeiffer wurde zu Lebzeiten in der Presse mitunter negativ dargestellt und karikiert. Die Berliner Ethnographische Gesellschaft und die Französische Geographische Gesellschaft hingegen hatten Pfeiffer als Ehrenmitglied aufgenommen. Die Englische Geographische Gesellschaft hatte dies nicht tun können, da die Aufnahme von Frauen ihrer Satzung widersprach.
34 Jahre nach ihrem Tod erhielt Ida Pfeiffer ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. In Wien erinnert auch der Ida-Pfeiffer-Weg an die wagemutige Weltreisende.
Schlagwörter: Ida Pfeiffer, Madagaskar, Ranavalona I., Thomas Parschik, Verschwörung im Regenwald