20. Jahrgang | Nummer 4 | 13. Februar 2017

Die zarten Farbenschleier des Gerhard Wienckowski

von Klaus Hammer

Der seit 1966 in Eberswalde ansässige Maler, Zeichner und Grafiker Gerhard Wienckowski ist vor 5 Jahren im 76. Lebensjahr verstorben. Jetzt widmet ihm die Stadt Eberswalde im großzügigen Ambiente des SparkassenFORUMS eine retrospektive Ausstellung, die zweifellos ein großes künstlerisches Ereignis darstellt.
Der Künstler geriet in seinen Aquarellen, Zeichnungen und Lithografien bis an jene Grenzzone, wo die Natur sich auflöst und verdämmert und die Konturen unserer Innenwelt im Dämmer der Außenwelt deutlicher werden und beide Figurationen – die innere Wirklichkeit des Ich und die Wirklichkeit der äußeren Welt – „aneinander darstellbar sind“ (Franz Fühmann). Malerei war für ihn nicht nur „Kunst“, sondern auch ein Beitrag zur Erhellung des Dämmers, in der sich die Welt vor uns verbirgt. Es ging ihm um das Ausmessen der geistig-psychischen Landschaft. Behutsam werden Konflikte und Widersprüche, menschliche Schicksale in den Porträtlandschaften offenbar, die der Betrachter als die seinigen empfinden vermag.
Er hat seinerzeit in Dresden bei Hans Theo Richter das streng rationale, ganz des Malerischen entkleidete Zeichnen gelernt. Seine Zeichnungen werden bestimmt durch einen Hell-Dunkel-Kontrast und eine Vorliebe für umschreibende Linien, die der Künstler in Bündelungen körper-modellierend übereinander legte. In der Grafik hat er mit Holzschnitten begonnen, beschäftigte sich dann mit Feder- und Kreidelithografien sowie Kaltnadelradierungen und wandte sich schließlich dem Steindruck zu. Die rhythmischen Linienbündel, das Nicht-Festlegen auf eine einzige Kontur entsprechen dem Suchen, dem Solange-als-möglich-Offenhalten. Neben das zeichnerische und grafische Werk trat das Aquarellieren, jene Art des Farbenauftrags ohne Deckweiß, bei welcher der Malgrund durchscheinend bleibt. Wenn man nass in nass malt und sich nicht auf schwere, feste Farben festlegt, kann man mit Wasser wieder etwas wegnehmen und so schwimmende Übergänge erreichen. Durch das Auftragen immer neuer Farbschichten bildet sich ein zarter Farbenschleier, der dem Bildkörper den Charakter des Ätherischen verleiht. Lasuren legen sich übereinander, erzeugen einen durchleuchteten Raum, lassen weite Durch- und Ausblicke zu, aus denen unsere Vorstellung das künstlerische Erlebnis ganzheitlich wiederherstellen kann. Wienckowski vermied jede „zerfallende Buntheit“. Der atmosphärische Klang wird durch kühle Farben und durch die Dominanz von wenigen Tönen bestimmt, aber das Spannungsverhältnis von Kaltem und Warmem musste immer gegeben sein. Es reicht von der Tonigkeit der kalten Farbskala, von Indigo, Kobalt, Ultramarin und über das Krapplack-Rot, das den Raum öffnet, bis zum Terra di Siena, das die warme Skala der Ockertöne einleitet.
Der Künstler arbeitete fast ausschließlich vor der Natur, er setzte sich mitunter jahrelang mit den auf Holz gespannten Blättern, an gleichem Ort und in der gleichen Jahreszeit, auseinander. Er liebte besonders die Herbststimmung; der Herbst war ihm wie ein „Versöhnungszeichen“, er trägt das Erlebnis des Jahres in sich. Aus der Gestaltstruktur der Natur lösen sich die Formchiffren, die die Natur durchsichtig machen.
Dieser originäre, sensible Künstler, der im Stillen lebte, dem alles Spektakuläre zuwider war, spricht nun weiter in seinen Arbeiten zu uns.

Gerhard Wienckowski – Aquarelle, Grafik, Zeichnungen.
Kleine Galerie Stadt Eberswalde im SparkassenFORUM, Michaelisstr. 1.
Die Ausstellung ist bis zum 21.März 2016 jeweils Montag, Dienstag und Donnerstag von 9-19 Uhr, Mittwoch und Freitag von 9 bis13 Uhr geöffnet.