von Renate Hoffmann
Reise nach Köln, zum Wallraf-Richartz-Museum. Dort geradenwegs ins Mittelalter. Erstes Obergeschoss, Raum 11 und zu den beiden Bildnissen des Ehepaares Schellenberger; Hans (1480 bis vor 1518) und Barbara (1488 bis 1546). Zwei junge Leute aus begüterten Häusern der Stadt Augsburg. Wer sonst hätte es sich leisten können, den bedeutenden Maler und Zeichner Hans Burgkmair d. Ä. (1473 bis 1531) für ein Porträt zu gewinnen, welches Hans Schellenberger seiner auserkorenen Barbara Ehem zudachte. Als galante Aufforderung, ihn, den Mann von ansehnlichem Äußeren, besten Manieren und wohlhabend – in jeder Hinsicht eine gute Partie, zu erhören. Rundheraus: Hans hegte die Absicht, mit seinem Konterfei um Barbaras Hand anzuhalten. Und Burgkmair unterstützte dieses Anliegen meisterhaft.
Der junge Schellenberger ist fraglos ein schöner Mann. Nicht ohne Eitelkeit auf seine männlich-feinen Züge, die, gerahmt von blonden Locken, fragen: Willst du mich? Willst du mich nicht? Du willst mich doch! – Geschickt stellt er Vermögen und Geschmack zur Schau. Wie blickfangend glänzen Ringe an seinen Fingern. (ist da nicht ein großer goldgefasster Karneol unter den Preziosen?) Wie trefflich kleidet ihn das dunkle Barett. Wie edel verbrämt der teure Pelzkragen den Mantel.
In der rechten Hand hält der Brautwerber das Pflänzchen Augentrost (Euphrasia officinalis). Wer meint, dies sei ein Hinweis aus der Alternativ-Medizin und deute auf Husten, Heiserkeit und übermüdete Augen des Liebhabers hin – der irrt. Es handelt sich um die Kurzfassung eines Liebesbriefes mit vielfältiger Aussage. Nachzulesen in der „Allgemeinen Blumensprache“ von 1837. Auf diese charmante Weise teilt Hans Schellenberger seiner Angebeteten mit: „Wer dich sieht, der muss dich lieben“ und „Ich wünsche dich zu sehen.“ – Um der Glaubwürdigkeit willen ist an die zur Bildgestaltung gehörenden Säule ein Zettel geheftet mit folgender Erklärung: „25 JAR WAS ICH ALT / DA HET ICH DIE GESTALT / 1505.“ Nun weiß man Näheres.
Und sie weiß es auch, das Fräulein Barbara Ehem. Ebenso schön von Gestalt, ausgestattet mit Geschmack – und Reichtum vorweisend wie Herr Schellenberger. Dass er sie auserwählte, von allen hintergründigen Erwägungen beider Familien abgesehen, ist nur zu verständlich. Dieses aufgeweckte Antlitz einer jungen Frau, ein wenig nachdenklich, ein wenig zögerlich und abwägend, doch von frischem Liebreiz und eigenem Sinn, gewinnt außer Hansens Sympathie auch die des Betrachters.
Barbaras brünettes Haar lugt mit einer kecken Strähne unter dem aparten Kopfschmuck hervor. Um ihr schwarzsamtenes Gewand trägt sie einen Gürtel aus Goldbrokat. Dazu – O welcher Luxus – das aus gleichem kostbarem Stoffe gearbeitete Brusttuch, fein gemustert und mit einem Schriftzug versehen: „A bon fino“; zu gutem Ende. Versprechen? Erfahrung? – Zu allem Überfluss schmückt eine breitgliedrige goldene Kette Barbaras makelloses Dekolleté. Auch sie gibt sich zu erkennen, ähnlich dem Identitäts-Nachweis ihres Gattens: „19 JAR WAS ICH ALT / DA HET ICH DIE GE / STALT / 1507.“
Frau Schellenberger – im Jahr 1506 hatten Barbara und Hans den Ehestand gewählt – hält nun für ihren Gemahl auch eine blumenreiche Antwort bereit. Das Maiglöckchchen (Convallaria majalis), Symbol inniger Liebe. Doch verstecken sich hinter dem duftenden, zierlichen Frühblüher noch andere Gedanken: Ende allen Kummers; glücklicher Neuanfang. „Das Glück kehrt zurück.“ Gab es inzwischen Unstimmigkeiten? Ließ sich deshalb die junge Frau „A bon fino“ zur Ermutigung auf das Brusttuch sticken? Wer weiß, wer weiß.
Hans Burgkmair d. Ä. malte beide Bildnisse auf Lindenholz; Größe jeweils 41 x 28 Zentimeter. Das Gemälde der Barbara Schellenberger, entstanden 1507, wurde dem bereits vorhandenen Porträt des Hans Schellenberger in Anlage und Aufbau vom Künstler angeglichen.
Schlagwörter: Barbara und Hans Schellenberger, Hans Burgkmair d.Ä., Renate Hoffmann, Wallraf-Richartz-Museum