19. Jahrgang | Nummer 13 | 20. Juni 2016

Antworten

Stefan Pichler, Air-Berlin-Chef, Sittenwächter – Die lockeren (Kleidungs-)Sitten in Ihrer Firmenzentrale am Berliner Saatwinkler Damm gingen Ihnen offenbar mächtig auf die Hypophyse. Man stelle sich vor: Spaghetti-Träger bei den Damen in der Buchhaltung! Dazu die Buchhalter in Polo-Hemden! Das geht gar nicht. Jetzt gibt es eine Kleiderordnung im Hause. Auch im Sommer sind ab sofort unerwünscht: „Spaghettiträger, bauchfrei, Casual-Jeans, Shorts und Flip-Flops“. Empfohlen wird knielang, die Herren natürlich knöchellang. Ab 30 Grad Celsius darf die Krawatte abgelegt werden. Aber bitte: nur die Krawatte! Das fliegende Personal trägt schließlich auch so eine Art Uniform. Und die Damen der Schwestergesellschaft aus Abu Dhabi – Air Berlin gehört zu 29,2 Prozent Etihad Airways, der Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, also ganz konkret der Familie des Emirs Al Nahyan – tragen  ein extrem schickes Kopftuch. Gut, dass Berlin trotz des irreführenden Namens kein Anteilseigner der Gesellschaft ist. Berlin müsste sein Neutralitätsgesetz ändern. Landesbediensteten mit „Außenwirkung“ wie Richterinnen oder Lehrerinnen ist das Kopftuch nämlich verboten. Aber Sie müssen jetzt nicht beunruhigt sein, verehrter Herr Pichler. Fürstlich verordnete Dresscodes bis hin zum „Zwickelerlass“ von 1932 sind in der Berliner Geschichte nichts Neues. Wir sind so etwas gewöhnt.

Claudia Pechstein, eislaufende Bundespolizistin – Wir haben Sie immer bewundert. Wir wissen, dass mit Ihrer Person der Ost-Sport das Brandzeichen des quasi genetisch programmierten Doping-Betrugs verpasst bekommen sollte. Das ging irgendwie schief, und das hatte uns gefreut. Dass nun Recht haben und Recht bekommen zweierlei Dinge sind – noch dazu, wenn man sich auf so dubiose Veranstaltungen wie Sportgerichte einlässt – diese Erfahrung teilen Sie mit vielen anderen. Sie hätten mit Ihrer jüngsten Klage vor dem Bundesgerichtshof Erfolg haben können. Das lag im Bereich des Möglichen. Sie sind gescheitert. Auch das lag im Bereich des Möglichen. Wie gesagt, „vor Gericht und auf hoher See…“ Spontaner Zorn, spontane Enttäuschung ließen sich da verstehen. Nach erfolgter Beratung mit Ihren Anwälten sonderten Sie aber Folgendes ab: „Jeder Flüchtling, der in Deutschland einreist und registriert wird, genießt Rechtsschutz. Aber wir Sportler nicht.“ Das war kein Lapsus, das war wohl dosiert. Wir betrachten diesen Spruch als den schwersten Sturz Ihrer Laufbahn. Holen Sie bitte erst einmal wieder Luft – und dann lassen Sie sich für ein Vierteljahr an die EU-Außengrenzen versetzen. Lampedusa, Lesbos, Kreta … die Auswahl ist groß, um wieder zur Vernunft zu kommen.

Gerd Gottlob, Pathosschwätzer – Sie kommentieren für die ARD die Spiele „der Mannschaft“, falsch „der deutschen Nationalmannschaft“. Soviel Zeit muss sein. Überhaupt haben Sie es mit der Nation. Das Spiel der Ukraine gegen „die Mannschaft“ am 12. Juni in Lille hatte sich noch nicht richtig warmgelaufen, da schwadronierten Sie schon von „nationaler Aufgabe“. Allerdings meinten Sie die Ukrainer: Die hätten die nationale Aufgabe, der Nation Zuversicht und Stolz oder Ähnliches zu vermitteln. Das Team aus den skytischen Steppen, um auf diesem Level zu bleiben, spielte nun unerwartet stark. Ihr nationaler Kommentar-Spagat im Falle eines ukrainischen Sieges blieb sowohl Ihnen als auch uns dank des göttlichen Manuel Neuer erspart. Sollten allerdings die Ukraine und Russland – gegen dieses ging offenbar Ihre nationale pro-ukrainische Unterbewusstseins-Zuckung – im Laufe des Turniers aufeinanderstoßen, so empfehlen wir allen dringend, die Übertragung im finnischen Fernsehen zu genießen. Dessen Kommentierung des Endspiels der letzten WM war für unsereinen absolut wohltuend. Wir verstehen nämlich kein Wort Finnisch.

Michael Müller, geschichtsliebender Berliner Regierender Bürgermeister – Kurz vor Toresschluss fiel Ihnen ein, dass Sie noch keinen Ehrenbürger ernannt haben. Da war wohl guter Rat teuer – Sie bekamen ihn aber billig. Vom Koalitionspartner CDU, nämlich den Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble zu nehmen: „für seine großen Verdienste um Berlin“. Irgendwann soll der einmal eine tolle Rede über Berlin geredet haben. Auch sonst hat Dr. Schäuble viel für Berlin getan: Seine Weichenstellungen im Einigungsvertrag und weiterhin sorgten schließlich dafür, dass wir die stinkenden Industrien in Lichtenberg und Oberschöneweide loswurden, in der Folge auch die im Wedding, viele Menschen ganz erheblich viel Freizeit erhielten und auch noch den Euro mit dem biometrischen Pass bekamen, was so gar keine Teuerung nach sich zog. Von den sonstigen Verdiensten des ehrenwerten Dr. Schäuble ganz zu schweigen. Nicht nur die Griechen singen wahre Hymnen auf ihn. Und ganz großen Respekt, verehrter Herr Müller, wie Sie jedem Rummeckern über den Einfall aus dem Wege gingen: Sie befragten einfach in „Vier-Augen-Gesprächen“ die Fraktionsvorsitzenden, was sie davon hielten. Es waren alle dafür. Auch der Genosse Wolf von der LINKEN. Nun bringen Sie aber Ihre Idee noch rasch in trockene Tücher. Denn vielleicht fällt Letzterem doch noch auf, dass das wieder ein paar Prozente kosten könnte …