von Manfred Orlick
Felix Graf Luckner (1881-1966) ist eine der umstrittensten Personen der halleschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Der selbsternannte „Freibeuter des Kaisers“ hatte als Kommandant des Hilfskreuzers SMS „Seeadler“ (ein kanonenbestücktes Segelschiff, das als norwegischer Frachter getarnt war) während des Ersten Weltkriegs weltweite Kaperfahrten unternommen. Dabei wurden die Gefangenen stets geschont, was Luckner Respekt und Anerkennung einbrachte. Schließlich zerschellte der dreimastige Windjammer an einem Riff im Südpazifik. Es folgten eine spektakuläre Fahrt in einem offenen Boot über den Pazifik und schließlich die Kriegsgefangenschaft. Seine Abenteuer hielt Luckner – natürlich entsprechend ausgeschmückt – in dem damaligen Bestseller „Seeteufel“ und anderen Büchern fest. Ende der 1920er Jahre unternahm er ausgedehnte Vortragsreisen, die ihn auch in den USA sehr populär machten.
Während der Zeit des Nationalsozialismus spielte Luckner wohl eine zwielichtige Rolle. Außerdem musste er sich 1939 vor einem „Ehrengericht“ wegen angeblichen Missbrauchs zweier minderjähriger Mädchen verantworten, eine Verurteilung blieb indes aus. Unstrittig ist sein persönlicher Beitrag zur Rettung Halles am Kriegsende 1945. Die Amerikaner drohten mit der Bombardierung, falls sich die Stadt nicht kampflos ergeben würde. Luckner (wohl durch seine Popularität) und anderen Mitstreitern gelang es, dieses Schicksal abzuwenden, so dass Halle noch heute über eine historische Altstadt verfügt.
Mittlerweile wird in Halle die Haltung zu Luckners Person von Kritikern und Anhängern zu einer Glaubensfrage hochstilisiert, mitunter begleitet von persönlichen Anfeindungen. So gab es recht unterschiedliche, ja einander widersprechende Publikationen zum „Seeteufel“, der viele Jahre, von 1919 bis 1926 und von 1933 bis 1945, in Halle wohnte.
Nun haben Daniel Bohse, Historiker und Leiter der Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg, und Alexander Sperk, Mitarbeiter der BStU Außenstelle Halle, eine kurze Studie vorgelegt, die die Ergebnisse ihres Gutachtens zusammenfasst, das sie in den Jahren 2004 und 2005 im Auftrag der Stadt Halle über Luckner angefertigt hatten. Wie die Autoren betonen, ging es ihnen um größtmögliche Objektivität.
Zunächst gibt es einen kurzen Abriss von Luckners Leben bis 1933, wobei seine angebliche Ehrenbürgerschaft dreier amerikanischer Städte kritisch hinterfragt wird. Seine Popularität in den USA wird aber nicht in Abrede gestellt. Beleuchtet wird Luckners Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus, die von Sympathie für den Nationalismus und Propagandavorträgen bis zu Freimaurer-Mitgliedschaft und Redeverbot reichte. Den Quellen zufolge war Luckner aber wohl zu keiner Zeit ein Gegner des Hitler-Staates.
Ein weiterer Schwerpunkt der Publikation ist Luckners Rolle im Zusammenhang mit der Rettung Halles vor der Zerstörung im April 1945. Sein Agieren in diesen Bemühungen wird näher betrachtet, wobei nicht mehr alle Details der Verhandlungen feststellbar sind. Zum Schluss äußern die Autoren jedoch die Überzeugung, dass Luckner zu jenen zählt, „denen die Saalestadt hierfür in besonderem Maße Dank und Anerkennung schuldet“. Insgesamt eine kompakte und gut recherchierte Publikation, die einen differenzierten und kritischen Blick auf die Person Felix Graf Luckners wirft.
Alexander Sperk / Daniel Bohse: Legende, Opportunist, Selbstdarsteller – Felix Graf Luckner und seine Zeit in Halle (Saale) 1919-1945, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2015, 104 Seiten, 12,95 Euro.
Schlagwörter: Alexander Sperk, Daniel Bohse, Felix Graf Luckner, Halle, Manfred Orlick, Seeteufel