18. Jahrgang | Nummer 21 | 12. Oktober 2015

Neue Limericks (IV)

von Thaddäus Faber

Ein verhutzeltes Fräulein aus Riegel
beäugte sich in einem Spiegel
und war, wie sie fand,
die Schönste im Land.
Darauf gab sie sich Brief und Siegel.

Ein Landwirt aus Osterburken
ward geschätzt für seine Gurken.
Landab und landauf,
Damen kauften zuhauf
diese Gurken aus Osterburken.

Ein abnormer Konzernchef aus Büren,
der hatte wahrlich Allüren.
Er pfiff auf Cash Flow,
auf Rendite und so,
der ließ nicht mal die Zahlen frisieren.

Ein Monsignore aus Kist
ist natürlich in jedem Fall Christ.
Doch zölibatär
fällt ihm ganz häufig schwer,
so dass er es meistens vergisst.

Ein traniger Alter aus Struppen
schlief gerne bis in die Puppen
und roch aus dem Mund,
aus den Achseln auch und
litt fürchterlich unter Schuppen.

Nachbemerkung des Redakteutrs dieser Ausgabe: Schon wiederholt beklagten Leser, dass ein Abdruck der Fünfzeiler von Th. F. eigentlich nicht ohne Altersfreigabe erfolgen dürfe. Daher ist die Redaktion ausnehmend froh, dass solches beim diesmaligen Konvolut ganz sicher nicht vonnöten ist – allenfalls mit einer gewissen Einschränkung, den Limerick Numero zwo betreffend. Und, bei erzkonservativer Betrachtungsweise, vielleicht auch Numero vier.
Doch in jedem Fall gilt, dass von dem, was man in anglo-amerikanischen Publikationen so findet, die vorliegende Zusammenstellung wahrlich Welten trennen! Da braucht es wirklich nur einen Blick auf dieses eine Beispiel:

There was a young girl of Aberystwyth
Who took grain to the mill to get grist with.
The miller’s son, Jack,
Laid her flat on her back,
And united the organs they pissed with.

Solch ein abscheuliches Machwerk versteckte Herausgeber Gershon Legman* nicht etwa in den vom Leser vielleicht eher selten tangierten Tiefen des Bandes II seiner Sammlung „The Limerick“ (Panther Books Ltd. Frogmore, St. Albans 1976), sondern er stellte es an den Anfang desselben – und das auch noch unter der in diesem Kontext geradezu blasphemischen Überschrift „Little Romances“!
Wer Aberystwyth allerdings vielleicht nur für eine singuläre Entgleisung hält, der werfe halt rasch noch einen Blick auf den nachfolgenden, den zweiten Limerick jener Sammlung:

There was a young lady of Arden,
The tool of whose swain wouldn’t harden.
Said she with a frown,
„I’ve been sadly let down
By the tool of a fool in a garden.“

Derart unästhetische, lästerliche, vielleicht gar zynische und nicht zuletzt sogar geschmacklose Zumutungen sind im Blättchen auch künftig nur ganz ausnahmsweise – um nicht zu sagen: seltener als manchmal – zu gewärtigen.
„Aber keinesfalls gar nicht!“, kräht da eine verstellte kecke Stimme aus dem redaktionellen Hintergrund …
Nach dem Schalk wird gefahndet!

* – In Legmans (1917-1989) – in deutscher Übersetzung immerhin 855 Seiten starken, also nachgerade monomanischen – Monographie „Der unanständige Witz: Theorie und Praxis“ findet sich unter anderem diese Erkenntnis (Oder sollte es besser heißen – dieses Bekenntnis?): „Ein Faktum geht aus jeder Sammlung moderner erotischer Folklore, ob es sich nun um Witze, um Limericks […] oder was auch immer handelt, mit verblüffender Deutlichkeit hervor, nämlich, daß das gesamte Material von Männern geschaffen worden ist und Frauen keinen anderen Platz einräumt als den der Zielscheibe.“ Gleichwohl behauptet Prof. Dr. Hans Giese in seinem Vorwort zu jener Monographie mit, wenn man denn so will, frecher Anmaßung: „Humor, Witz, Zote – das hört sich wie eine Stufenleiter in den Keller an, den man allgemein als Niederung der Sexualität begreift. Daß in dieser Niederung, im Bild geblieben, ein kostbarer Weinkeller anzutreffen ist, wenn man eine Spürnase hat, sollte nicht erst seit Freud und der Psychoanalyse allgemein […] bekannt sein.“