18. Jahrgang | Nummer 13 | 22. Juni 2015

Wir Rentner haben es satt!

von Henryk Goldberg

Also, ein Skandal ist das schon. Ich meine, wie die mit uns Rentnern umspringen. Und jetzt denken sie, mit dieser lächerlichen Erhöhung im nächsten Monat wäre alles wieder gut. Aber Pustekuchen! Nichts ist gut! Ich jedenfalls gebe keine Ruhe, bis diese Ungerechtigkeit beseitigt ist! Ich werde jeden Montagnachmittag Protest schlafen, nach dem Essen!!!
Ich meine, heutzutage wird immer getönt, so antidiskriminierungsmäßig. Die Radfahrer, die Polizisten, die Schwulen, die Griechen, die Frauen, die Neonazis, die Politiker und sogar die Vorgesetzten wollen nicht mehr diskriminiert werden. Nur wir Rentner sollen uns das gefallen lassen. Uns darf man gruppenbezogen kujonieren und alle finden das normal.
Es gilt als selbstverständlich, dass Rente im Grundsatz weniger ist als Lohn oder Gehalt. Wieso eigentlich? Weshalb soll das selbstverständlich sein? Ist das Bier für uns billiger? Kommen wir für weniger Mäuse nach Malle?
Ich zum Beispiel, um ausnahmsweise einmal persönlich zu werden, ich also lebe jetzt in mancherlei Hinsicht teurer, meine Aufwendungen steigen beträchtlich. Zum Beispiel für Tee. Seit ich ein Leben jenseits der sozialen Brennpunkte und intellektuellen Zentren führe, also jenseits der Kantine und des Großraumes einer Zeitung, seitdem ist, nur mal als Beispiel, der Verbrauch an Teebeuteln erheblich gestiegen.
Nun kann man sagen, wie unser Leser Heiner R. aus W. es wohl tun wird, wer Teebeutel benutzt, ist selber schuld, aber zum einen ist das schon wieder eine Diskriminierung und zum anderen gibt es den losen, den besseren Tee auch nicht umsonst. Natürlich, ich habe auch früher, als ich noch ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft war, also als ich noch die volle Kohle bekam, hin und wieder Tee und Kaffee zu mir genommen – aber doch nicht so viel.
Ich meine, das ist doch logisch. Wir, wir Rentner, haben mehr, viel mehr Freizeit. Und die muss ja irgendwie ausgefüllt werden, die muss man ja irgendwie gestalten. Schließlich, ich kann mich nicht die ganze Zeit mit diesem Kram hier beschäftigen und noch mehr schreiben. Das würden Sie doch auch nicht wollen und meinen Lieblingsleser F. St., auch ein Rentner, würde es in den Infarkt treiben und das wäre wirklich schade, denn er trägt mit seinen wunderschönen als Leserbrief getarnten Parodien auf einen alten komischen Mann sehr viel zu meiner Erheiterung bei.
Aber, das war der Punkt, was also bedeutet mehr Freizeit? Genau, mehr Kosten, mehr Kohle. Zum Beispiel, weil ich mehr Tee und Kaffee benötige, schließlich, ich muss die Pausen jetzt nicht mehr so oft unterbrechen wie damals. Wenn ich, nur mal als Beispiel, höre, Lars Tietje aus Nordhausen wird Intendant in Schwerin, dann denke ich, wow!, schön für den Mann, und fahre fort, Tee zu trinken. Damals wäre ich zusammengefahren und hätte erbleichend seine Nummer gewählt, um zu recherchieren, ob er sich freut, ob er Thüringen in guter Erinnerung behalten wird und ob er sich hier Mühe geben wird bis zum letzten Tag.
Jetzt trinke ich stattdessen Tee und der kostet. Und, Ehrenwort, in diesem Augenblick, es ist Freitagnachmittag, läuft die Meldung, dass Günther Jauch seine Talkshow aufgeben wird. Ach, denke ich, und trinke Tee.
Das ist Klasse, aber das kostet natürlich.
Oder nehmen wir die Zeitung. Natürlich haben wir die Nr.1 aus Thüringen abonniert. Aber seit ich hier zu Hause sitze, haben wir noch eine andere Zeitung. Natürlich will ich alles wissen über Thüringen, das hat unsere Heimatzeitung, aber auch manches über den Rest der Welt, das hat die Zeitung aus dem Hessischen – und die kostet. Früher hab ich die auch gelesen, in der Redaktion. Da gab es sogar mehrere überregionale Blätter, zu Hause kann ich mir nur eines leisten. Was bedeutet, mein Rentnerleben geht auch einher mit einem sozial bedingten Verlust an Bildung, an Weltkenntnis.
Ich meine, wieso erhalten Menschen, die mehr Geld brauchen, weil sie mehr Zeit haben, und die überdies bald tot sind, stattdessen auch noch weniger Geld? Wieso werden wir ausgegrenzt aus der konsumierenden Menschengemeinschaft?
Könnte man uns, uns Rentnern, nicht einfach das Gehalt weiterzahlen? Wir wären dann bereit, von diesem Geld jeden Monat einen gewissen Betrag, etwa 18,7 Prozent, abziehen zu lassen, von dem das Einkommen der Berufstätigen finanziert wird.
Und niemand müsste mehr streiken, weil die Gehaltsentwicklung an die Höhe der Renten gekoppelt wäre. Das wäre gerecht und es wäre ein Beitrag zum sozialen Frieden.
Und jetzt kommen Sie nicht mit so blöden Einwürfen wie wer soll das bezahlen? und solchem Quatsch. Da müssen die eben bisschen was in die Gelddruckerei investieren. In der DDR ging das doch auch.