18. Jahrgang | Nummer 3 | 2. Februar 2015

Pannen-Pötte

von Sarcasticus

Dass die Zuführung von Großwaffensystemen zur Bundeswehr jeweils um Jahre verspätet sowie um Milliardensummen verteuert erfolgt und die neuen Systeme die erwartete militärische Performance trotzdem oft nicht nur nicht bringen, sondern auch noch hochgradig pannenanfällig und mehr in Reparatur und Wartung als im Einsatz sind, das ist seit Jahren die übliche Regel. Dafür stehen Systeme wie Korvette K 130, Kampfhubschrauber Tiger, Fregatte 125 und andere mehr.
Aus diesem blamablen Potpurri an Rüstungsdebakeln heraus wie der sprichwörtliche Leuchtturm aus der Sturmflut ragten bisher allerdings als wirkliche deutsche Wertarbeit die U-Boote des Herstellers Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW), eines Tochterunternehmens von ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel. Sie „werden nach höchsten Maßstäben von Technologie und Präzision gebaut“, hieß es erst unlängst im Focus, und das war erst der Anfang des Lobgesangs: „Die deutsche U-Boot-Klasse 212 A ist der weltweit modernste nicht nuklear-angetriebene Typ. Die Stealth-Außenhaut macht es nahezu unsichtbar. Es ist so auch für Sonar unter Wasser kaum aufzuspüren. Die Mindesttauchtiefe liegt bei 400 Metern. […] Die Bewaffnung besteht aus sechs Torpedorohren mit zwölf Seehecht-Torpedos sowie 24 Unterwasserminen. 27 Männer bilden die Besatzung.“ Gern hervorgehoben wird auch, dass die Klasse 212 A zu den leisesten U-Booten weltweit zählt.
Wozu die Bundesrepublik diese „Unterwasserkomponente“ überhaupt braucht, ist derzeit zwar nicht so recht auszumachen. Aber vielleicht wird das nächste Bundeswehr-Weißbuch darüber Auskunft geben, das Ursula von der Leyen an der Spitze des zuständigen Fach-Apparates bis 2016 vorlegen will.
Erfreuen wir uns zwischenzeitlich am Preis der Tauchzigarren, denn der ist tatsächlich Weltspitze: 500 Millionen Euro. Pro Stück.
Dafür bekommt man dann aber auch etwas – vor allem einen von der Außenluft unabhängigen Elektroantrieb für die Unterwasserfahrt, der mittels Brennstoffzelle mit Strom versorgt wird. Dadurch kann die Tauchzeit auf bis zu 18 Tage verlängert werden, eine enorme Steigerung gegenüber herkömmlichen konventionellen Antrieben. Das verleitete Euphoriker bereits dazu, vom „Atom-U-Boot des kleinen Mannes“ zu sprechen. Im Hinblick auf die von HDW für Israel gebauten Schiffe der Dolphin-Klasse (die jüngsten drei auch mit Brennstoffzellen ausgestattet) ist das sogar wörtlich zu nehmen: Israel rüstet die Schiffe nach Medienberichten zum Abschuss von nuklearen Cruise Missiles um. Der Bundesregierung ist das seit Jahren bekannt, trotzdem hat sie mehrere der Pötte geradezu weggeschenkt: Große Teile der Kosten durfte der deutsche Steuerzahler tragen …
Doch zurück zur Wunder-Boot-Klasse 212 A. Die ist jetzt durch den öffentlich gewordenen internen Bericht eines Prüfingenieurs ziemlich schnörkellos entzaubert worden. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts, im Jahre 2013, stellte sich der Zustand der 212 A-Flottille der Bundesmarine, bestehend aus sechs Schiffen mit der Nummerierung U31 – U36, nämlich folgendermaßen dar:
U31 – befand sich auf See, „obwohl […] ein Werftbesuch wegen eines Problems mit einer Winde droht“.
U32 – „Bis auf das, was kaputt ist, ist eigentlich alles in Ordnung.“
U33 – lag seit Monaten in der Werft; man war „um ein neues Instandsetzungskonzept“ bemüht.
U34 – stand mit abgebautem Propeller auf dem Trockenen.
U35 – sei „materiell einsatzfähig“, nachdem es mit dem Propeller von U36 ausgestattet worden war.
U36 – hatte erst am 15. Mai 2013 seine Schiffstaufe absolviert und war sofort danach zum „Organspender“, sprich: Ersatzteillager von U35 degradiert worden. Der Propeller war dem Vernehmen nach nicht die einzige „Organentnahme“ …
Immer wieder Probleme bei Testfahrten der 212 A-Baureihe gab es in den vergangenen Jahren speziell mit dem Antrieb, der merkwürdige Geräusche und Vibrationen verursachte – für Fachleute untrügliche Anzeichen für Konstruktions- oder Verarbeitungsmängel, zum Beispiel für Unwuchten. Als wäre das an sich nicht schon genug, ist dabei jedoch zusätzlich zu bedenken: Ein U-Boot, das Krach macht, wird sich weder an gegnerische Schiffe „heranpirschen“ noch sich auch nur vor seinen eigenen Jägern in hinreichender Sicherheit wähnen können.
Der jetzt öffentlich gewordene Prüfbericht macht deutlich, dass die Lagerung der Antriebswelle bereits bei U31, dem ersten Schiff der Baureihe, nicht sachgerecht war, dass aber mindestens bis U35 von der Herstellerwerft und seiner „Jugend-forscht-Abteilung“ (O-Ton Prüfbericht) keinerlei Veränderungen vorgenommen worden waren.
Diese Mängel sind zwar höchst schwerwiegender Natur, aber sie traten wenigstens nicht allein auf: Mal gab die GPS-Navigation den Geist auf, mal war das Radar unleidlich; auch die Batterien ließen leistungsmäßig zu wünschen übrig (Hersteller „versucht krampfhaft, die Fahrbatterie gesund zu messen“, heißt es in dem Prüfbericht, sechs Wochen lang, erfolglos), dann wieder streikten die hochempfindlichen Sendeanlagen und Sensoren. Panne auf Panne. Pech kommt hin und wieder auch noch dazu: Im Juli 2014 kippte ein 25 Tonnen schwerer Kran von der Kaimauer auf U35 und „enthauptete“ den unverzichtbaren Kommunikationsmast des Bootes … Wär’s nicht zum Heulen, man müsste lachen!
Allen Malaisen zum Trotz soll U35 – so das Haus von der Leyen – im März in Dienst gestellt werden. Nur zweieinhalb Jahre nach Plan. Das ist deutlich schneller als beim Militär-Airbus A400M; der hat immerhin schon gezeigt, dass man dem Fahrplan ohne Weiteres auch um acht Jahre hinterherhinken kann …
Allerdings wird U35 dann wohl erst mal überwiegend ein Ü-Boot („Ü“ für „über Wasser“) sein, denn die Sache mit der Fahrbatterie ist noch nicht ganz ausgestanden. Laut Prüfbericht ist die Lage diese: „Nach Vollladung […] zeigt das Isolationsmessgerät einen Wert, der nicht schlecht ist für eine 30 Jahre alte Batterie aus dem Kohlebergbau – die hier ist aber neu und steht auf einem U-Boot.“
Übrigens: Der Spiegel vermeldete dieser Tage, dass Kanzlerin Merkel persönlich gerade für eines der größten Rüstungsgeschäfte der bundesdeutschen Geschichte kämpft. Australien erwägt, bis zu zwölf U-Boote der Klasse 216 für bis zu 14 Milliarden Euro zu erwerben. Diese Schiffe existieren zwar erst auf dem Papier, sind aber laut Spiegel auch schon wieder „die modernsten konventionellen U-Boote der Welt […] und können bis zu vier Wochen am Stück tauchen“. Da wollen wir mal hoffen, dass sich der Prüfbericht zum Vorgängermodell nicht bis Canberra rumspricht. Jedenfalls nicht vor Vertragsabschluss!

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