18. Jahrgang | Nummer 3 | 2. Februar 2015

Ein Katholik, ein Kommunist – zwei Satiriker

von F.-B. Habel

Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt
die große bunte Landsknechtstrommel
gegen alles, was stockt und träge ist.
Kurt Tucholsky

Satiriker zu sein ist das Bindeglied der beiden DDR-Künstler, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten augenöffnend wirkten und die beide kurz nach den spektakulären Morden an französischen Kollegen gestorben sind. Mit unterschiedlichen Ansätzen gingen sie in der DDR leidenschaftlich gegen alles an, „was stockt und träge ist“.
Der ältere der beiden, Gösta Lerch, stand im 77. Lebensjahr und war seit einigen Jahren erkrankt und auf Pflege angewiesen. Der Berliner, über dessen Zeichnungen in National-Zeitung, Wochenpost und Eulenspiegel Generationen geschmunzelt haben, hatte 1942 mit vier Jahren seine Mutter verloren und wuchs in Heimen auf. Katholisch erzogen, wirkte er lange als Ministrant, auch, als er schon eine Lehre in dem heute ausgestorbenen Beruf des Nachschneiders bei der Druckerei Tägliche Rundschau aufgenommen hatte. Gleichzeitig lieferte er bereits erste Karikaturen für das St. Hedwigsblatt.
Bald machte Gösta Lerch das Zeichnen zu seinem Beruf. Er fand einflussreiche Förderer in älteren Kollegen wie Erich Schmitt, der auf Lerchs erster Hochzeit tanzte, und Leo Haas.
Lerch brillierte mit Humorzeichnungen, lieferte aber für Tageszeitungen wie Junge Welt, Berliner Zeitung und vor allem langjährig für das NDPD-Organ National-Zeitung gezeichnete tagesaktuelle Kommentare zum Zeitgeschehen. Der Katholik war durchaus kein unkritischer Mitläufer der DDR-Politik, und doch fand er Aspekte, denen er folgen konnte. Wenn er gegen die damals so genannten „Bonner Ultras“ zeichnete, so sah er in ihnen die tatsächlich vorhandenen Altnazis, fanatischen Antikommunisten, letztlich die Spalter Deutschlands. Es kostete keine Überwindung, gegen das Somoza-Regime in Nikaragua oder die himmelschreiende Ungerechtigkeit der Palästinenser-Politik Israels zu sein. (Lerch galt als bester Karikaturist des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin überhaupt.) Gelegentlich musste er auch gegen seine Überzeugung muntere Zeichnungen zur „Woche des Roten Oktober“ oder für die Mai-Demonstration liefern. Als er aber der Wochenpost zu Beginn der achtziger Jahre eine Karikatur mit Breshnew als Papst anbot, der die sozialistischen Länder als Schafherde hütet und darunter ein schwarzes Schaf, nämlich Polen, findet, war Gösta Lerch zu weit gegangen. Für ein paar Jahre wurde er kaltgestellt, aber die Armeerundschau nahm dennoch seine Zeichnungen mit Kusshand.
In Wendezeiten hatte Lerch noch einmal ein Hoch – mit Nachdrucken bis hin zum Spiegel. Dabei thematisierte er durchaus das, was die deutsche Einheit gefährdete, so Versprechungen von Banken und Arbeitsämtern. Die Arbeit von MfS und BND setzte er gleich. Seine Auftragslage wurde wieder schlechter. Viele seiner Arbeiten findet man in dem mit ausführlichen Interviews versehenen Porträtbuch „St(r)icheleien“.
In der Ablehnung nordamerikanischer Großmachtpolitik trafen sich Gösta Lerch und Klaus Georg, deren Bilder in den sechziger und siebziger Jahren in mancher Eulenspiegel-Ausgabe zu finden waren. Klaus Georg, der immer nur nebenberuflich als Satiriker arbeitete, war allerdings – zumindest in öffentlichen Arbeiten – kein Zeichner, sondern schuf Fotocollagen. Eine seiner Arbeiten, die auch in der Karigrafie-Ausstellung von 1979 ausgestellt wurde, heißt „Ehrendoktor des Pentagon“ und zeigt eine mit Nadelstreifenjacke versehene Person mit einem kleinen Pentagon als Bedeckung eines Totenkopfs, unter dem die amerikanische Flagge als Krawatte erscheint. Klaus Georg stand deutlich in der Tradition John Heartfields, den er sehr verehrte, und dessen politische Schärfe er öfter erreichte als den politischen Witz, wenngleich er dem Meister in seinen besten Arbeiten durchaus nahekam.
Geboren 1939 in Dessau als Klaus Georg Przyklenk erlernte er zunächst den Beruf des Gebrauchswerbers, ehe er ein Studium der Kunsterziehung aufnahm. Als Lehrer vermittelte er an der polytechnischen Oberschule seinen Schülern, dass nicht exakte Linien, sondern die Freude an Farben und Formen wichtig seien. Eine Zeitlang probierte er sich mit kurzen Animationsfilmen aus. Später promovierte er und wurde Chefredakteur der pädagogischen Fachzeitschrift Kunsterziehung. Dabei kam es ihm immer auf die Entwicklung einer besseren Welt im Sinne des Sozialismus an. Klaus Georg, der sich nach der Wende innerhalb der Linken als Kommunist sah, leitete mehrere Jahre die Zeitschrift Icarus der Gesellschaft zum Schutz für Bürgerrechte und Menschenwürde, in der auch seine Arbeiten, darunter Malerei und Assemblage, abgebildet waren.
Dem Lehrer Przyklenk könnte eine prophetische Zeichnung Gösta Lerchs von 1977 gefallen haben. Ein Schüler nimmt auf dem Rücken einen ganzen Bücherschrank zum Unterricht mit, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Heute hat fast jeder Schüler seinen Schrank dabei, gibt es dafür doch mittlerweile eine Technik, die nur noch zigarettenschachtelgroß ist. Ob sich darunter aber auch Satire befindet?

Gösta Lerch, St(r)icheleien, Spica Verlag, Neubrandenburg, 2014, 136 Seiten, 14,90 Euro.