17. Jahrgang | Nummer 22 | 27. Oktober 2014

Verbunden – in herzlicher Abneigung

von Korff

Was da kürzlich aus der Kohl-Quelle die Runde machte, erscheint manchen schier unglaublich bis sensationell, andere hingegen setzen noch immer die Verwunderungsmütze auf und ab und tun so, als sei Kohl ein einsamer Einzeltäter. Vordergründig zitiert man genüsslich Kohls Freundlichkeiten über Zeitgenossen; wenngleich der eigentliche Casus Knacktus und Quellenwert seiner Informationen und Bewertungen durchaus eher politischer denn personeller Art sind. Doch was auch immer man an der Buch-Veröffentlichung aus den Kohl-Protokollen nun schätzt oder verabscheut: So richtig überrascht dürfte man nicht davon sein, zu erfahren, wie und was man von „Seinesgleichen“ in diesen Kreisen hält. Ist halt ein (sehr!) Klein-Paris und „bildet seine Leute“ auch und gerade in dieser Weise.
Manches Beispiel spricht sich – gegebenenfalls lanciert – einfach so rum, manches liegt schon länger zurück und einiges liegt sogar gedruckt vor. So etwa das seinerzeit „innige“ Verhältnis zwischen dem CDU-Vorsitzenden Kohl und seinem Schatzmeister Walther Leisler Kiep betreffend. Das wurde seinerzeit offenbart, wenngleich damals nicht sehr öffentlich erörtert, als beide wegen kreativer Spendenbeschaffung, ergo als Gemeinschaftstäter, so heftig in die Bredouille gerieten, dass nur noch galt: „Der brave Mann denkt an sich – selbst zuletzt“.
In einem öffentlich verfügbaren, wenn auch de facto Privat-Druck von 1999 charakterisierte Kiep den Bundeskanzler in seiner Art so: „Helmut Kohl soll zu Lüthje (das war der „Generalbevollmächtigte des Bundesschatzmeisters der CDU“ – Anmerkung K.) folgendes gesagt haben – mir wurde das von verschiedenen Personen übermittelt: ‚Wir sind unserem Freund Walther Leisler Kiep zu großem Dank verpflichtet. Ich bin doch sehr froh, dass wir ihn in dieser ganzen Zeit mitgetragen und ihm auch die Stärke gegeben haben, tatsächlich diese Revision (es ging um die erfolgreiche Anfechtung eines Schuldspruchs gegen Kiep, wobei Kohl ihm zuvor dringlich geraten hatte, davon Abstand zu nehmen und die geforderte hohe Geldbuße stillschweigend zu zahlen – Anmerkung K.) zu beantragen. Das Ergebnis der Revision war plötzlich ein Kohl-Erfolg. Er hatte den schlappen Jagdhund Kiep zur Jagd getragen.
Das ist Helmut Kohl.
Aber selbstverständlich habe ich mich im Nachhinein bedankt, als ich von der großartigen Unterstützung meiner Person durch die Partei erfuhr. Es war in einer Präsidiumssitzung, ich hatte etwas zu berichten, und da ich gerade das Wort hatte, dachte ich, jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Also sagte ich: ‚Lieber Helmut, ich möchte doch die Gelegenheit benutzen, mich bei allen sehr herzlich zu bedanken für diese überwältigenden Beweise der Solidarität, die mir zuteil geworden sind.‘
Das Gesicht von Kohl war unbeschreiblich. Er hatte meine Worte so verstanden, wie sie von mir gemeint waren.“
So geht es halt auch zu unter Ehrenmännern, Damen dieser Kreise ausdrücklich eingeschlossen. Die abgedroschene Phrase „Eine Krähe hackt …“ trifft also nicht immer zu. Freilich ist dann die Wahl der Waffen nicht nur eine Entscheidung des freien Willens. Mancher kann eben nur Schwere Säbel; andere hingegen können auch Florett. Letztere waren dem Bundeskanzler Helmut Kohl zutiefst zuwider, wie der Kenner weiß. Trotzdem war er einigen davon, und Leisler Kiep gehörte zu denen, dann doch wieder verbunden, wenn es gegen Dritte ging. Jedenfalls auf Zeit, und sei es in herzlicher Abneigung.
War so, ist so. Änderung nicht in Sicht.

Zitat aus – Walther Leisler Kiep: Was bleibt ist große Zuversicht, Berlin – Wien, 1999, Seite 354.