17. Jahrgang | Nummer 19 | 15. September 2014

Antworten

Carl von Ossietzky, bald 125-jähriger – „Es gibt in der Politik keine schlimmere Figur als den enttäuschten Idealisten, der die Machtmittel des Staates schrankenlos in der Hand hat, der in seiner Verbitterung und Menschenfeindlichkeit Richter und Henker auf die Fragen losläßt, vor denen seine Begabung versagte“, haben Sie Anfang der 1930er Jahre einmal gesagt, damals den Ex-Linken und dann nationalistisch-diktatorisch wütenden Pilsudski gemeint, mit diesem Satz aber auch eine gültige Aussage über anderweitige Menschheitsbeglücker getroffen; bis heute, was es lohnt, ihn in Erinnerung zu bringen.

Jan Fleischhauer Spiegel-Kolumnist – In Ihrer sinnigerweise „Der Schwarze Kanal“ betitelten Kolumne behaupteten sie jüngst: „Der Bayer ist der Russe Deutschlands. Wie der Russe erinnert er die anderen daran, wie sie einmal waren, aber dank des Zivilisationsprozesses nicht mehr sind.“ Da müssen wir angesichts der noch gravierenderen Dinge, die andere so auf dem Kerbholz haben, doch widersprechen. Das wäre uns schon schwerer gefallen, hätte es geheißen: „Der Bayer ist der Amerikaner Deutschlands. Wie …“
Keineswegs widersprechen wollen wir jedoch Ihrer nachfolgenden, unsere südlichsten Landsleute – also die dem Stammlande von Mafia, ‘Ndrangheta & Co. benachbartsten – direkt ansprechenden Auflistung: „Bis heute hält sich in Bayern die Vorstellung, dass nicht jeder krumme Weg ins Gefängnis führen muss. Das protestantische Sündenverständnis hat den Süden nie erreicht. Wer sein Geld im Ausland in Sicherheit bringt, wie Uli Hoeneß, bleibt ein Volksheld. Deshalb teilen die meisten Bayern auch die Aufregung um Christine Haderthauer nicht. Dass jemand Schwerverbrecher in der Psychiatrie zum Arbeiten bringt, ruft erst einmal Respekt hervor. Wenn dabei auch noch ein schönes Sümmchen für die Haderthauers abfällt, umso besser. Bauernschläue und Bazitum sind in Bayern nichts, wofür man sich schämen müsste.“ Schade eigentlich, dass man dieses beeindruckende Register nicht der Stasi oder wenigstens der SED-Nachfolgeorganisation in die Schuhe schieben kann …

Barack Obama, Anwärter auf den Iffland-Ring – „Teil des Jobs ist das Theaterspielen. Das fällt mir nicht immer leicht, aber es ist wichtig“, so haben sie als Quasientschuldigung formuliert, dass Sie nach bestens präsentierter Betroffenheit über den Mord am US-Journalisten Foley durch IS-Killer umgehend auf den Golfplatz geeilt sind, um sich dort – ebenfalls telegen – zu vergnügen. Schade, dass Sie den Anteil des Schauspielens an Ihrem präsidialen Job nicht quantifiziert haben; wir jedenfalls tippen mal auch 75 Prozent. Oder liegen wir damit zu niedrig?

Andreas Scheuer, CSU-Lautsprecher – „Lampedusa darf kein Vorort von Kiefersfelden werden“ haben Sie in schönster Bildhaftigkeit erklärt und damit die Forderung Ihrer Partei nach Außerkraftsetzung des Schengen-Abkommens für die deutsch-österreichische Grenze bekräftigt, über die viele Flüchtlinge aus Italien in die weißblaue Idylle gelangen. Eine weitere Forderung Ihrer Christsozialen macht indes das eigentliche Verhängnis offenkundig. Im Bundeshaushalt, so fordert Ihre CSU nun, solle ein „Sonderfonds Flüchtlings- und Entwicklungshilfepolitik“ aufgelegt werden. An 100 Millionen Euro denkt man bei Ihnen, mit denen „unter anderem die Hilfe für bedrängte Menschen vor Ort gestärkt werden“ soll. Dass der (auch blauweiße) Norden seit üppig vielen Jahrzehnten genau dies nicht oder bestenfalls in Gestalt von Spurenelementen getan hat sondern auf seine eigenen Vorteile (samt kleiner Ablasszahlungen namens Entwicklungshilfe) bedacht war, findet keine Erwähnung. Und dass 100 Millionen lächerlich sind, wenn man das mittlerweile immer globaler werdende Problem des Zustroms in die „Welt des Reichtums“ auch nur annähernd lösen will, auch nicht. 1970 (!) hatten die reichsten Länder via UNO sich verpflichtet, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben. Nicht, das letztere allein über Geld zu betreiben ist – ein Anfang schien das schon. 2011 hatten ganze fünf Staaten (Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark und die Niederlande) diesen Wert erreicht oder überboten. Mit 0,4 Prozent rangiert das reiche Deutschland an 12. Stelle …

Wilhelm von Boddin, Kaiser Wilhelms Wilhelm – Seit der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses auch nur diskutiert worden ist, haben Sie nachgerade geschworen, dass Ihr privater Förderverein jene 80 Millionen locker einsammeln würde, die für die Rekonstruktion der barocken Fassade einst veranschlagt worden sind. Was sich zu Beginn der Spendensammlung 2004 noch wie eine Petitesse ausnahm, wird heute eher kleinlaut behandelt, sind doch in zehn Jahren lediglich 33 Millionen zusammen gekommen. Das leidenschaftliche Interesse der Großspender am postpreußischen Renommierprojekt deucht nun erheblich bescheidener als einst plakatiert. Es ist ein Jammer: Da läuft ein Berliner Großbauprojekt endlich mal im Zeitrahmen und dann fehlt´s an privatem Geld. Aber wozu wurde einst schließlich der Steuerzahler erfunden …

Malte Spitz, neugieriger Grüner – Dank Ihres Antrages musste das Bundespresseamt nun die bislang unter Verschluss gehaltenen Ergebnisse jener zahlreichen Umfragen zugänglich machen, mittels derer das Kanzleramt in den vergangenen Jahren Meinungsforschung in eigener Sache betrieben hat. Letzteres vermag ein wenig zu irritieren, da sich Frau Merkel ihrer Popularität doch allzeit hat sicher sein können. Eher als die Fortsetzung dieser Meinungsforschung hätte man vermuten können, dass es die Kanzlerin hält wie einst die SED-Führung, die das bis dahin existierende parteieigene Institut für Meinungsforschung 1978 schloss. Als Begründung weist die Bundeszentrale für politische Bildung die Besorgnis aus, dass durch dieses Institut gewonnene Informationen in die Hände des „Klassenfeindes“ geraten könnten. Insider kennen auch eine zweite, interne aber dennoch offizielle Begründung: Eine Partei, die so eng mit dem Volk verbunden ist, benötigt ein Instrument wie die Meinungsforschung nicht mehr. Spätestens, wenn uns die Demokratie Angela Merkel für eine weitere Amtszeit, als Kanzlerin erhalten sollte, könnte sie bei dieser bewährten Argumentation eine Anleihe nehmen.

Dr. Ruth Westheimer, Sexualtherapeutin – Sie haben nach der Vorstellung der neuen Smartwatch von Apple, die außer Bügeln alles Mögliche via Armband anzustellen vermag, ironisch geraten: „Nehmen Sie vor dem Sex die Apple Watch ab – sie kann zu viel“. Das dürfte nach Lage der Dinge aber lediglich die Vorstufe eines Minicomputers sein, der in absehbarer Zeit den Sex elektronisch ersetzt, was dann allerdings das Tragen des aparten Kleingerätes wieder erfordert. Gut möglich, dass ein anderer Blogger lediglich Weitsicht verströmt, wenn er fragt: „Lohnt sich das überhaupt ein iPhone 6 zu kaufen? Ich meine… das ist immerhin jetzt schon 23 Minuten alt. Glaub, ich warte bis zum Nachfolger.“ Der Mann hat die Unternehmensstrategien aller Elektronikbuden voll durchgeholt.