17. Jahrgang | Sonderausgabe | 28. Juli 2014

Neues zu Eduard Fuchs

von Leo Piotracha

Als Historiker der Geschichte der Karikatur, als ihr bedeutendster Sammler, Entdecker und als Sammler des Werkes von Honoré Daumier nimmt Eduard Fuchs einen bedeutenden Platz in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts ein. Walter Benjamin hat ihm 1937 einen großen Essay gewidmet. Ulrich Weitz legte 1991 den Band „Salonkinder und Proletariat: Eduard Fuchs – Sammler, Sittengeschichtler, Sozialist“ aufgrund seiner Dissertation vor. Nun hat er zu Eduard Fuchs, auch in Archiven und mit Hilfe des Internets, neue Quellen erschlossen.
Der Biograph zerstört die von Fuchs in die Welt gesetzte Legende, sein Vater, Ferdinand August Fuchs, der 1887 starb, sei ein Industrieller gewesen. Als Kaufmann war er wenig erfolgreich. Fuchs’ 1896 geschlossene Ehe mit der Arbeitertochter Frida geb. Schön (1876-1956), aus der die Tochter Gertrud (1898-1960) hervorging, wurde 1916 geschieden. In zweiter Ehe war Fuchs mit Margret Alsberg (1885-1953) verheiratet, die aus der Warenhausfamilie Alsberg stammte. Mit ihr ging Fuchs 1933 in die Emigration. Ein Sturz von einem Hochhaus in New York beendete ihr Leben.
Als Sechzehnjähriger fand Fuchs – er war Jahrgang 1870 – in seiner Lehrzeit als Kaufmann in Stuttgart zu proletarischen Kräften. Zu Max Slevogt hatte er seit dessen Münchner Zeit ein enges Verhältnis, das 1905 zu dem Porträt führte, das sich in der Staatsgalerie Stuttgart befindet. Eine gemeinsame Ägyptenreise im Februar bis April 1914 mit Slevogt, Johannes Guthmann und dem Kunsthistoriker Joachim Zimmermann bildete einen für das Werk Slevogts außerordentlichen Höhepunkt. Mit Max Liebermann stand Fuchs in regem Austausch mit Werken Daumiers.
Fuchs wird vom Anarchisten in Stuttgart zum Revolutionär in München. Im Süddeutschen Postillon steht er im Dienst der Sozialdemokratie. Doch Weitz geht in seinem neuen Buch den Besonderheiten der Stellung von Fuchs, dem Haftstrafen ausgesprochen wurden, nach. Überlieferte Akten belegen das. 1889 beginnt der Kampf mit der Justiz. Clara Zetkin kannte er schon seit seiner Stuttgarter Zeit. Rosa Luxemburg steht ihm nahe. Fuchs kam 1900 nach Berlin, kurz bevor ihm Slevogt 1901 aus München folgte. Eduard Fuchs steigt zum überaus erfolgreichen Schriftsteller auf, der mit seinen Büchern, die im Verlag Albert Langen in München erscheinen, vor allem mit der immer wieder aufgelegten „Illustrierten Sittengeschichte“ in sechs Bänden, zum Millionär wird. Der Verlag, Weitz teilt es nicht mit, stellte ihm eine Hilfskraft zur Verfügung. 1918 erwirbt Fuchs von dem Kunsthändler Hugo Perls im Tausch gegen Bilder von Max Liebermann das von Mies van der Rohe erbaute Haus in Zehlendorf, dem er einen Flügel hinzugewinnen wird. Fuchs ist der entscheidende Mann, der den Architekten für den Bau der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde gewinnt. Die Sanierung des Malik-Verlages, Gründung der Malik-Verlag AG, geschah vor allem mit Geld von Felix Weil. Eduard Fuchs wird den Vertrag als Vorsitzender des Aufsichtsrates mit Wieland Herzfeld(e) am 21. Juli 1925 unterschreiben. Den Aufsatz „Ein Mann im Schatten“ hat Weitz als „Autobiographisches Fragment“ in der Hoover Institution, Nicolaevsky Collection, gefunden. Lenin, dem Fuchs wohl schon in München begegnet war, nannte ihn so. Damals wurde die „Iskra“ dort gedruckt.
Als „Hansdampf in allen Gassen“ macht sich Fuchs nützlich. 1913 gründet er mit Karl Liebknecht, Mina Cauer und Bernhard Kampffmeyer den „Deutschen Hilfsverein für die politischen Gefangenen und Verbannten Rußlands“ und gründet als „Drahtzieher“ am 16. November 1914 den „Bund Neues Vaterland“, der zum Frieden drängt. 1916 erscheint im Verlag Albert Langen „Der Weltkrieg in der Karikatur“. Eduard Fuchs wird Lenin am 28. Dezember 1918 das Programm „Was will der Spartakusbund?“ überbringen. Im Sommer 1920 wird er mit Paul Levi, dem Vorsitzenden der KPD, nach Petrograd zum Zweiten Kongress der III. Internationale reisen und 1921, nachdem Levi zurückgetreten ist, der aktuellen Politik geringere Aufmerksamkeit schenken. Doch ist er 1922 an der Gründung des Vereins „Gesellschaft für Sozialforschung“, der sich wieder vor allem auf das Kapital von Felix Weil stützen kann, beteiligt. Nach der Gründung des Instituts für Sozialforschung an der Frankfurter Universität im Juni 1924 entsteht in Berlin das „Sozialwissenschaftliche Archiv“, dem Fuchs einen Teil des KPD-Parteiarchivs hinzugewinnen kann. Am 9. Oktober 1926 wird das Sozialwissenschaftliche Archiv von der Polizei heimgesucht und behördlich geschlossen.
Wie kompliziert das Verhältnis von Eduard Fuchs zur KPD ist, wird umfassend belegt. Fuchs korrespondiert sowohl mit Leo Trotzki als auch mit dessen Schwester Olga Kamenewa, die 1925 Vorsitzende der Moskauer Gesellschaft für kulturelle Verbindung mit dem Ausland (WOKS) wurde. Zu David Rjasanow, der die MEGA voran bringen will, hat er engen Kontakt. 1928 tritt Fuchs aus der KPD aus und wendet sich der Kommunistischen Partei-Opposition (KPD[O]) um Heinrich Brandler und August Thalheimer zu, die auch an der Herausgabe des Werkes von Franz Mehring mitwirken, zu dem sein Verhältnis außerordentlich freundschaftlich war. Sein Werk wird er in der von ihm eigens dafür gegründeten Soziologischen Verlagsanstalt in Leipzig veröffentlichen. In Franz Mehrings Gesammelten Schriften in 16 Bänden des Dietz Verlages sind sein Name und sein Verdienst um das Werk des sozialistischen Forschers verschwiegen worden.
Entgegen bisherigen Annahmen bleibt Eduard Fuchs im Exil als Schriftsteller aktiv. Sechs Bücher schwebten ihm vor. Es ging ihm materiell verhältnismäßig gut. Er unterstützte Notleidende, setzte das 1939 für internierte Freunde fort, unterstützte John Heartfields Flug nach England. Roland März hatte übrigens 1981 in der Ausstellung Daumier & Heartfield, Staatliche Museen zu Berlin (Studio 28), an deren Eröffnung Wieland Herzfelde teilnahm, die Vertrautheit des Monteurs mit dem Werk Daumiers belegt, die dieser bei Fuchs in Zehlendorf gewann. Fuchs hatte vor, sein Archiv und seine Sammlungen der Stadt Berlin zu schenken. Von den Nationalsozialisten wurde sein Lebenswerk zerstört. Ein Ort der Erinnerung an den genialen Mann ist in Berlin nicht zu finden.
Bedauerlich, dass auf eine Bibliographie des Werkes von Eduard Fuchs verzichtet wurde. Ein Verzeichnis der 236 Abbildungen des Bandes wäre glücklich, Fettdruck hätte sie im Personenregister hervorheben können. Über die Bedeutung des Werkes von Eduard Fuchs für die Kunstgeschichte wäre eine eigene Arbeit nötig.

Ulrich Weitz: Der Mann im Schatten – Eduard Fuchs. Sitten-Fuchs, Sozialist, Konspirateur, Sammler, Mäzen; Karl Dietz Verlag, Berlin 2014, 399 Seiten, 39,90 Euro.