17. Jahrgang | Nummer 3 | 3. Februar 2014

Die Drohne. Ein Überblick

von Bov Bjerg

Im Rahmen des Kabarettistischen Jahresrückblicks
im Berliner Mehringhoftheater, der von Mitte Dezember 2013
bis Mitte Januar bereits zum 17. Mal
im Wortsinne über die Bühne gegangen ist,
fand auf Einladung der Gastgeberin, Frau Dr. Angela Merkel,
auch ein Expertenvortrag zum Thema „Drohnen“ statt,
den wir nachfolgend dokumentieren.
Die Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Dr. Merkel!
Vielen herzlichen Dank für die freundliche Einladung!

Zur Gliederung.
Punkt 1 wird sein: Einleitung und kleiner Scherz zur Auflockerung
Punkt 2: technische Grundlagen
3: die Drohne als Marke
4: Sicht des Laien, Sicht des Fachmanns
5: Deutschland

Einleitung und kleiner Scherz zur Auflockerung

Unsere amerikanischen Verbündeten haben bekanntlich das Handy von Frau Merkel überwacht. Im Bundeskanzleramt ist dadurch eine gewisse Unruhe entstanden. Eine Unruhe, die durchaus nachvollziehbar ist, denn auf die Überwachung und die Ortung eines Handys folgt in vielen Fällen der Drohnenschlag.
Ein Drohnenangriff aufs Kanzleramt – das ist natürlich grenzwertig. Man muss bedenken: Da arbeitet ja nicht nur Frau Merkel. Da arbeiten ja auch Unschuldige.
Kleiner Scherz auf Ihre Kosten, Frau Merkel, Sie werden’s mir nachsehen.

Technische Grundlagen

Es gibt Aufklärungsdrohnen und Kampfdrohnen. Die einen gucken bloß, die andern können gucken und schießen.

Die Drohne als Marke

Die Bundeswehr wollte eine neue Aufklärungs­drohne haben, die hieß „Euro Hawk“. (So heißt sie immer noch, aber die Bundeswehr hat sie halt nicht.)
Schon der Name „Euro Hawk“ zeigt das grundsätz­liche Problem mit Drohnen: das wirklich – Entschuldigung – bescheidene Branding. „Hawk“ heißt Falke. Klingt kämpferisch. Andererseits denkt der Zivilbürger, wenn er von Raubvögeln hört, unwillkürlich an die Opfer, in diesem Fall: putzige Mäuschen, niedliche Kaninchen und vom Aussterben bedrohte Feldhamster.
Die populärste Kampfdrohne der USA heißt „Reaper“, auf Deutsch: Sensenmann. Eines muss auch der schärfste Kritiker unseren Verbündeten zugutehalten: Die US-Armee neigt nicht zum Euphemismus.
Schon das Wort Drohne selbst hat einen schlechten Leumund. Im Duden steht es, genau wie im Gehirn, zwischen Drohen und Dröhnen, und durch die permanente negative Berichterstattung ist die Vokabel irreparabel semantisch kontaminiert.
Wenn wir uns die Drohne als Marke vorstellen, muss man sagen: Bei der Etablierung dieser Marke wurde so ziemlich jeder Fehler gemacht, den man machen kann. Jedes moderne Unternehmen hätte versucht, eine aufkommende negative Presse frühzeitig zu entschärfen: eine persönliche Facebook-Seite für jede Drohne, auf der täglich die schönsten Luftaufnahmen gepostet werden, das sind ja landschaftlich zum Teil traumhafte Gegenden; ein Twitter-Account mit launigen Drohnen-Tweets („Ui, 20tausend Fuß, mir wird schon ganz schwindelig!“, oder: „Tschakka, 1:0!“) und so weiter.
Aber bevor man auch nur einen Cent in Image-Werbung investiert, hätte man das Ding erst einmal anders benannt. Stichwort Rebranding: anderer Name fürs gleiche Produkt, anderes Image, zack ist es beliebt.
Eine Drohne ist ja nichts anderes als eine männliche Biene. In der deutschen Kultur gibt es eine sehr beliebte Drohne, jedes Kind kennt sie: Willy. Willy, der Kumpel von Biene Maja. Bisschen faul, bisschen doof, aber harmlos.
Ich habe mal einem britischen NATO-Offizier vorgeschlagen, Drohnen zukünftig offiziell als Willys zu bezeichnen, aber der hat nur dreckig gelacht.

Sicht des Laien

Über die leider wohl auch in Zukunft so genannten Drohnen und über die gezielten Tötungen, die diese Drohnen ausführen, wird meistens aus einer relativ laienhaften Sicht berichtet – aus der Sicht der Opfer. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass diese Leute in aller Regel nur einen kurzen Moment des Drohneneinsatzes erleben. Sie wissen nicht, was vorher passiert, und was nachher passiert, wissen sie schon gar nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie werden mir sicher zustimmen, wenn ich konstatiere, dass die Kompetenz dieser Laien relativ eingeschränkt ist – und, man muss ergänzen: obendrein oft persönlich gefärbt.
Einige Leute beim Militär wundern sich bereits, warum die gezielte Tötung von Privatpersonen, die niemals irgendwo angeklagt worden sind, geschweige denn verurteilt, warum diese Tötungen und die notgedrungen damit einher­gehende Tötung von Personen, die noch nicht einmal irgend einer Tat beschuldigt werden, warum das alles doch relativ wenig Aufsehen in der westlichen Öffentlichkeit erregt.
Kann ihnen sagen, warum.
Beispiel: Waziristan, im Norden von Pakistan. Da hören die Leute Tag und Nacht, rund um die Uhr, dieses Surren am Himmel. Ab und zu knallt es in der Nachbarschaft und eine Hütte ist kaputt und ein Nachbar ist tot, von dem viele vielleicht gar nicht wussten, dass der deshalb jeden Tag aufs Feld gegangen ist, weil er mit seinen Ziegen einen Terroranschlag ausbaldowert hat.
Wir wissen nicht, wie die Menschen da unten so etwas empfinden. Es ist ja doch, Hand aufs Herz, sehr die Frage, ob so ein Pakistaner oder Somali, dessen alltägliches mühsames Leben ja nun nicht gerade eine Schule der Empfindsamkeit ist, ob dieser Somali tatsächlich in der Lage ist, ebenso wie ein US-Amerikaner oder ein Europäer, der in einem richtigen Haus lebt, vielleicht mit einem kleinen Garten drumherum, und der vielleicht sogar Abitur hat und ein frisch gewaschenes Auto vor der Garage, ob dieser Somali überhaupt in der Lage ist, ähnlich wie ein Europäer wirklichen psychischen Stress zu empfinden oder Angst oder Trauer.
Wenn das so wäre, also, wenn gesichert wäre, dass das Seelenleben dieser Menschen ähnlich komplex und tiefgründig ist wie unseres, dann wäre die Empörung sicherlich groß, völlig zurecht, und dann müsste man diese Drohnenan­griffe natürlich einer gründlichen Überprüfung unterziehen. Wir sind ja keine Barbaren.

Sicht des Fachmanns

Aus der Sicht des Fachmanns ist der Einsatz von Drohnen höchst ambivalent.
Für den Soldaten im Kriegseinsatz war die strikte räumliche Trennung von Arbeit und Freizeit immer selbstverständlich. Entweder du warst im Krieg oder du warst zuhause.
Nicht wenige Männer melden sich ja genau deshalb freiwillig.
Der Einsatz von Drohnen macht diese Trennung obsolet. Die Dinger fliegen irgendwo am Ende der Welt rum, aber der, der sie steuert, sitzt mitten im Heimatland an seinem Monitor.
Heute sieht es so aus, dass ein US-amerikani­scher Drohnen-Pilot morgens Frau und Kindern Tschüss sagt, Goodbye, Bussi, ins Auto steigt und ein paar Minuten auf dem Highway zur Arbeit fährt.
Er trägt keine Stiefel mehr, sondern gewöhnliche Straßenschuhe, und sogar die ziehen manche Kollegen im Büro aus, und dann sitzen sie den ganzen Tag in Socken da.
Der Pilot holt sich einen Kaffee, macht es sich am Computer gemütlich, lenkt die Drohne, observiert seine Ziele und lernt sie ein wenig näher kennen. Ab und zu beendet er die Bekanntschaft durch eine Rakete, so geht das bis Mittag. Ab in die Kantine, schönes Steak mit doppelt Pommes, Muffin zum Nachtisch oder ein Stück von der leckeren Cheesecake, und danach geht’s weiter.
Besonders kritische Zeit: Mittagstief, plusminus 14 Uhr, Fressnarkose, da muss man natürlich aufpassen beim Abdrücken mit dem Timing.
Die größten Gefahren, denen der moderne Militärpilot ausgesetzt ist: ein fußkaltes Büro und latentes Übergewicht.
Man braucht, lassen Sie mich das offen sagen, man braucht schon ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein als Kampfflieger, um sich bei dieser Arbeit noch wie Manfred von Richthofen zu fühlen.
Für einen jungen Berufsanfänger mag das dennoch verlockend klingen, ruhige Kugel und so weiter – und im letzten Jahr wurden zum ersten Mal in den USA mehr Piloten für Drohnen ausgebildet als für Kampfjets.
Aber Achtung! Langfristig werden diese Piloten keine Staatsangestellten bleiben. Die Kriegs­führung in anderen Bereichen wird bereits jetzt zum großen Teil von privaten Dienstleistern übernommen. Privatunternehmen können einfach besser und effizienter Krieg führen. als der Staat das je hinkriegen würde. Es ist wie damals bei der Deutschen Bundespost. Das war ja alles viel zu teuer, viel zu bürokra­tisch.
Seit die Post Konkurrenz hat, gerade beim Paketdienst, funktioniert die Zustellung viel besser, die Kunden sind zufrieden, die Angestellten sind zufrieden, und eine Menge gut bezahlter Arbeitsplätze ist auch entstanden, bei UPS und bei Hermes und bei Amazon und bei Zalando. – Kleiner Scherz zur Auflockerung.
Der Drohnenpilot der Zukunft ist selbständiger Subunternehmer. Er arbeitet jetzt zuhause, die Monitore stehen in der kleinen Kammer neben dem Kinderzimmer, naja, was heißt Kammer, früher, als noch ein ordentliches Einkommen da war, war es der Kleiderschrank.
Er kann sich seine Arbeitszeit frei einteilen, und jeder Kleinunternehmer weiß, was das heißt: ob er nun 60 Stunden in der Woche arbeitet oder 70, da macht ihm keiner Vorschriften.
Mit der linken Hand stellt er in der Uckermark Päckchen zu, mit der rechten steuert er die Kampfdrohne über Pakistan, und wenn er Glück hat, verwechselt er nichts.
Dauernd kommen die Kinder rein. „Papa darf ich auch mal lenken? Bitte, bitte, bitte!“ „Raus hier! Ihr fasst hier nix mehr an! Ihr wisst, was neulich mit Angermünde passiert ist!“
Die Kinder sind noch zu klein, um bei der Heimarbeit mitzuhelfen, aber wer weiß, wenn sie 14 oder 15 sind und sich geschickt anstellen, warum nicht?

Deutschland

Drohnen sind in Deutschland bereits Thema, auch wenn es derzeit nur um Aufklärungsdrohnen geht.
Die Bundeswehr hat eine halbe Milliarde Euro für die Entwicklung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk” ausgegeben, um schließlich festzustellen, dass diese Drohne nicht sicher genug ist, um über bewohntem Gebiet zu fliegen. Um aber Gebiete aufzuklären, in denen sich ohnehin niemand aufhält und in denen sich nichts bewegt, braucht man keine Aufklärungsdrohnen für eine halbe Milliarde Euro, da genügt der Große ADAC-Auto-Atlas für 29,99.
Noch hat Deutschland selbst keine Kampfdrohnen, aber selbstverständlich unterstützen wir den Einsatz unserer Verbündeten nach Kräften. Auf den US-Stützpunkten in Ramstein und in Stuttgart werden die Drohneneinsätze in Asien und Afrika geplant und koordiniert, und was die Auswahl der Ziele betrifft, da ist die engagierte Zuarbeit des Bundesnachrichten­dienstes unverzichtbar.
Die Abhöranlage des BND in Bad Aibling in Bayern sammelt ununterbrochen Telefon- und Internet-Verbindungsdaten in Asien und Afrika. Jeden Monat 500 Millionen Verbin­dungsdaten, Telefonnummern, Ortungsangaben und so weiter, die wir unseren Verbündeten selbstverständlich zur Verfügung stellen.
So mancher Terroranschlag konnte dank der Informationen des BND durch einen präzisen Drohnenangriff frühzeitig verhindert werden. Oft zu einem Zeitpunkt, als der Terrorist selbst noch gar nichts von seinen Plänen wusste.
Sicher, das wirkt alles noch ein wenig bemüht. Noch reichen die Anstrengungen Deutschlands nicht ganz aus, um in den allerengsten Club der Geheimdienste aufgenommen zu werden, in die so genannte Allianz der „Five Eyes“, der fünf Augen: Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und die USA. Aber das ist nur eine Frage der Zeit.
Auch so eine Denkwürdigkeit, lassen Sie mich das abschließend anfügen, dass dieser exklusive Zirkel von fünf Nationen sich „Five Eyes“ nennt, und nicht „Ten Eyes“. Aber so ist das nun mal: Unter den Blinden sind die Einäugigen König.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors, dessen Vortrag auf Youtube auch optisch-akustisch verfolgt werden kann.