17. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2014

Familie und Landschaft – Empfehlung für eine glückliche Lösung

von Peter Liebers

„Es ist schön, im Erdgeschoss in einer Landschaft zu sein“, sagt Harald Metzkes, der Jahrzehnte zuvor über den Dächern Berlins in Prenzlauer Berg gelebt und gearbeitet hat, auf die Frage, warum er Anfang der 1990er Jahre mit seiner Frau Brandenburg als seinen endgültigen Lebens- und Schaffensort gewählt hat. So schön auch Wohnung und Atelier in der Kollwitzstraße gewesen seien, „hoch über den Bäumen, aber viel schöner ist es doch ebenerdig zu leben“. Dazu kam für Metzkes „dieser wunderbare rote Landbauklassizismus der in Brandenburg schlicht gebauten Häuser, das hat uns sofort überzeugt“.
Harald und Elrid Metzkes bemerkten schon bald nach dem Fall der Mauer, dass sich der Prenzlauer Berg und damit auch die von ihnen seit den 1960er Jahren bewohnte Kollwitzstraße in kurzer Zeit veränderten. Dass sich dieser Kiez nicht erst nach 1989 wandelte, sondern schon zu DDR-Zeiten die Neubaugebiete Marzahn und Hellersdorf mit ihrem „Wohlfühlkomfort attraktiv wurden und viele dorthin zogen, weil sie warmes Wasser aus der Wand, Fahrstuhl und andere Bequemlichkeiten zu schätzen wussten“, hatte die sich im Prenzlauer Berg angesiedelte Künstlerszene dort längst manifestiert.
Es sei eine private Entscheidung gewesen, 1992 ins brandenburgische Wegendorf zu ziehen, erklärt der am 23. Januar 1929 in Bautzen geborene Harald Metzkes. Sein Schwiegersohn, der Kunstgießer Wilfried Hann, hatte hier in der Alten Poststraße einen Vierseithof gefunden und begonnen, ihn für seine Profession auszubauen und das Märkisch-Oderland als Lebensraum für seine Familie zu gewinnen. In der ehemaligen Scheune sollte sich genügend Platz für die Ateliers des Malers und seiner Frau Elrid finden.
Die 1932 im sächsischen Pirna geborene Künstlerin hatte – wie Harald Metzkes auch – ihren Beruf im besten Sinne von der Pieke auf gelernt. Er als Steinmetz, sie als Damenschneiderin. Nach dem Studium an der Burg Giebichenstein, an der Willi Sitte ab 1951 eine Professur für Textilgestaltung inne hatte, beendete Elrid Metzkes ihre Ausbildung an der Kunstakademie Dresden, wo auch Harald Metzkes bei Wilhelm Lachnit und Rudolf Bergander studiert hatte.
Elrid Metzkes‘ Eintritt in die Kunstszene trifft in den 1960er Jahren glücklicherweise auf eine Situation, in der die Textilkunst wieder an Akzeptanz gewinnt, und so kann sie nach der Geburt der drei Kinder des Künstlerpaares mit ihren Bildteppichen an die Tradition des Bauhauses anknüpfen und mit ihren symmetrisch-geometrischen Kompositionen unter Verwendung alter Techniken wie Patchwork und Quilt eine leuchtende Farbskala feiner Stoffe gestalten, die ab 1972 in internationalen Ausstellungen Furore machen.
Zwanzig Jahre später war Harald Metzkes aus der Berliner Akademie der Künste, an der er 1955 Meisterschüler von Otto Nagel geworden war, ausgetreten, weil ihm nicht behagte, dass sich die nach dem Mauerfall vereinigenden Ost- und West-Kunstakademien über ostdeutsche Künstlerbiografien „bedenkenlos hinwegsetzten“. Als Sekretär der Sektion Bildende Kunst der Ost-Akademie stand Metzkes dieser Art der Vereinigung sehr kritisch gegenüber. „Ich frage mich, wer hat die dreibuchstabigen Kürzel an das Wort ,Kunst‘ geflickt? Das Individuum kann sich sozialisieren, ohne sich zu verlieren; der Künstler kann entsprechende Verbindungen aufnehmen und anknüpfen, wo es ihm gefällt. Aber der Kürzelstempel schwebt immer über ihm – und er in der Gefahr, zum dazugehörigen Stempelkissen zu werden, auf das der Stempel haut, um die ganze Umgebung zu bedrucken.“
Mit Heiner Müller, dem letzten Präsidenten der Ostberliner Akademie der Künste hätte sich der im Grunde friedfertige Maler Metzkes gern über dieses Vorgehen auseinandergesetzt.
Es war kein Rückzug, als Harald und Elrid Metzkes in die Gegend um Altlandsberg zogen und so eine Form fanden, ein staunenswertes Modell für ein Familienleben zu erproben. Mit Staffelei und Webstuhl brachen sie nicht zu den auf dem Land lebenden Kindern auf, vielmehr schufen sie sich in unmittelbarer Nähe zur Natur, deren Werden und Vergehen eine neue Lebenswelt und damit auch in ihren nicht mehr jungen Jahren eine sie bis heute überraschende Herausforderung.
Harald Metzkes widmet sich nach der jahrzehntelangen städtischen Erfahrung in seiner Aufmerksamkeit und seinen Sujets dem Land und den Leuten dieses schon zu DDR-Zeiten jenseits von Strausberg vergessenen Landstrichs um Altlandsberg. Dieses Eintauchen in die scheinbare Idylle passt in das sich verändernde Lebenskonzept der Familie. Die acht Enkelkinder widmen sich technischen Phänomenen. Eine Unterbrechung, der das Künstlerpaar Harald und Elrid Metzkes gelassen entgegensieht. Und die Bereicherung dieser technischen Begabungen sehr wohl zu schätzen weiß.
Ja, es kann einem geradezu unheimlich werden, die engen Verbindungen, das Beieinandersein dieser in mehreren Generationen zusammenlebenden Familie wahrzunehmen. Die neuen Lebensumstände entmystifiziert Metzkes selbst auf „bildschöne“, aber entschiedene Weise, wenn er zum Beispiel großformatig eine Radfahrerin malt, die im Fallen noch ihren Widersache, den freilaufenden Hund, streichelt. Wie stets bleibt der Künstler auch hier ganz bei sich.
Es ist ein Glück, Harald Metzkes als Zeitzeugen in einer unbestechlichen Gedankenwelt, einem wachen Erinnerungsvermögen, schelmisch die Zeitläufte kommentierend, bei sich zu wissen. Insofern führt die Freude auf die drei Ausstellungen, die ihm das Leonhardi-Museum Dresden, die Berliner Galerien Leo.Coppi und Galerie Pankow dem Künstler anlässlich seines 85. Geburtstages widme, zu einem Spiegel, indem sich ein Lebenswerk mit dem im zeitlichen und ideologischen Umfeld der Biermann-Ausbürgerung 1977 entstandenen „Januskopf“, den Arbeiten für die Volksbühne und seinen daneben geschaffenen ungezählten Frauenbildnissen vollendet.

Harald Metzkes begeht am 23. Januar seinen 85. Geburtstag – unser Autor Peter Liebers und die Blättchen-Redaktion gratulieren herzlich!