16. Jahrgang | Nummer 17 | 19. August 2013

Anthropogener Klimawandel?

Vorne ist da, wo sich keiner auskennt.
Horst W. Opaschowski
Zukunftsforscher

von Gabriele Muthesius

Stichwort Treibhauseffekt, Stichwort vom Menschen verursachte (anthropogene) Klimakatastrophe: „Der Satz Ein vermehrter Ausstoß von Kohlendioxid bewirkt eine gefährliche Aufheizung der Atmosphäre gilt in Deutschland als gesichertes Wissen“, schreibt Autor Ulfried Weißer und zitiert den derzeit vorherrschenden alarmistischen Meinungsmainstream in Sachen Klimawandel. Der lautet: „Von Jahr zu Jahr wird immer deutlicher erkennbar, dass der Klimawandel bereits eingesetzt hat. Die Prognosen […] sind verheerend. Gelingt es uns nicht, die Notbremse zu ziehen, werden die katastrophalen Folgen […] unsere heutigen Vorstellungen weit überschreiten.“ Die Polkappen würden schmelzen, der Meeresspiegel global ansteigen und ganze Landstriche und Inselstaaten würden im Wasser versinken. Von Klimakriegen und apokalyptischen Flüchtlingsströmen orakeln hierzulande selbst Gazetten, die Wert auf das Attribut „seriös“ legen.
Skeptiker einer solchen Sicht kontern bisweilen mit der makaber wirkenden Frage: „Und um wie viel früher werden denn die Malediven deswegen untergehen?“
Achselzucken.
Antwort: „Um elf Minuten (oder neun oder 17, die Angaben schwanken – G.M.).“
Der Untergang selbst wäre aber den langen Schwankungszyklen geschuldet, in denen sich die klimatische Entwicklung auf der Erde aus unterschiedlichsten natürlichen, vom Menschen nicht beeinflussbaren Ursachen seit erdgeschichtlichen Frühzeiten vollzöge. Ein grünes Grönland oder subtropische Verhältnisse in der Norddeutschen Tiefebene wären kein Novum in der Klimageschichte…
Ob den Malediven in absehbarer Zeit allerdings tatsächlich die dauernde Überflutung droht, ist jedoch alles andere als ausgemacht, denn seit nunmehr 15 Jahren hat es keinen weiteren Anstieg der globalen Temperaturen mehr gegeben. Das war auch schon zwischen 1940 und 1980 der Fall, obwohl in beiden Phasen die anthropogenen CO2-Emissionen weiter angestiegen sind. Hans von Storch, Chef des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum in Geesthacht, gab jüngst zu Protokoll: „Wenn das so weitergehen sollte, müssten wir uns spätestens in fünf Jahren eingestehen, dass mit den Klimamodellen etwas fundamental nicht stimmt. Ein Erwärmungsstopp, der 20 Jahre andauert, kommt in keinem einzigen Szenario vor. Aber bereits heute passt der reale Temperaturtrend nur noch schwer zu unseren Erwartungen.“
Trotzdem wird in Deutschland das Mantra eines vom Menschen verursachten Klimawandels von einer wirkungsmächtigen Phalanx aus Politik, Wissenschaft und Medien weiterhin nahezu ungebrochen propagiert und von einer Mehrheit der Öffentlichkeit längst vorbehaltlos geglaubt. Dieser praktisch gesamtgesellschaftliche Konsens trägt inzwischen auch insofern quasireligiöse Züge, als Häretiker gnadenlos der Bannstrahl trifft: „Wer die Lehre vom Klimawandel nicht teilt“, so Weißer, „gilt […] nicht einfach als Mensch mit anderer Meinung, sondern als unmoralisch, als verantwortungslos und als kein möglicher Gesprächspartner.“ Das dürfte für Rezensentinnen und Rezensenten nicht minder gelten, die derartigen Ketzern nicht vehement ins Handwerk fallen. Das ist in Kauf zu nehmen.
Denn es gibt eine Fülle vor allem wissenschaftlicher Erkenntnisse, Meinungsäußerungen sowie Studien von Experten unterschiedlicher Fachdisziplinen – Weißer stellt sie ebenso akribisch vor wie ihre Antipoden –, die die „Lehre“ vom anthropogenen Klimawandel ebenso grundsätzlich wie begründet in Zweifel ziehen. Weißer führt dabei jede maßgebliche These der Klima-Alarmisten, von denen keine einzige bisher wissenschaftlich stichhaltig untersetzt ist, auf und stellt die Gegenpositionen dar, für die es häufig – zum Beispiel klimahistorische – Belege gibt.
Zugleich geht Weißer der Frage nach, welche wirkungsmächtige Melange von Akteuren aus Wissenschaft (auch in dieser Sphäre ist das Streben nach Einfluss, Macht und ergiebigen Finanzquellen ein starkes Motiv), Politik und Medien, von Interessen, Koalitionen, Mechanismen sowie Manipulationstechniken es wie geschafft hat, die „Klimakatastrophe“ zu einem Menetekel vergleichbar dem vom „Waldsterben“ vor über 30 Jahren zu machen.
Besonders angetan unter den Klima-Alarmisten hat es Weißer dabei das Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, mit dessen Arbeit sich der Autor dezidiert auseinandersetzt und dessen öffentliches Wirken er schlussendlich als mit apologetischen Zügen behaftet einstuft. Institutsdirektor Hans Joachim Schellnhuber, der Wegbereiter des so genannten Zwei-Grad-Ziels, wurde 2007 von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum wissenschaftlichen Chefberater der Bundesregierung in Fragen des Klimawandels ernannt. Merkel selbst hat sich ja bekanntlich als (vor allem international) Mutter der Bewegung mal den Ehrentitel einer „Klimakanzlerin“ erworben. Auf den allerdings scheint sie, betrachtet man ihr heutiges, deutlich gedämpftes diesbezügliches Agieren, schon seit einiger Zeit keinen rechten Wert mehr zu legen.
Apropos „Waldsterben“: Als die prognostizierte Katastrophe zu lange auf sich warten ließ, verklangen die schrillen Warnungen, dass es bereits fünf vor zwölf sei, und der Begriff verschwand ebenso still und leise aus dem öffentlichen Gebrauch wie auch manch anderes Horrorszenarium (zum Beispiel das „Ozon-Loch“), das der Realität nicht standhielt. Das ist in der Wissenschaftsgeschichte im Übrigen keine Ausnahme, sondern, worauf Weißer in einem methodischen Exkurs ebenfalls abhebt, eher die Regel: Häufig werden einst bis aufs Messer verteidigte, dann erwiesenermaßen falsche Theorien anschließend so gründlich aus der wissenschaftlichen Literatur und dem präsenten Wissen getilgt, als hätte es sie nie gegeben. Wer weiß denn heute noch, dass die Wissenschaft in den 1960er und 1970er Jahren die These von einer neuen Eiszeit – verknüpft mit weit reichenden Katastrophen-Szenarien – vertrat? Und: Die „Art der Argumentation“, so Weißer, „erinnert fatal an die heutigen Warnungen vor einer Erwärmung durch CO2.“
Dem Autor geht es im Übrigen nicht in erster Linie darum, die in der Bundesrepublik heute weit verbreitete Klima-Hysterie ad absurdum zu führen, obwohl bereits die Lektüre dieser seiner Passagen dem klimainteressierten und -besorgten Laien aufschlussreiche Erkenntnisse zuwachsen lässt. Auch verschwörungstheoretischen Ansätzen, die das Aufkommen des Hypes um die Klimakatastrophe etwa aus wirtschaftlichen Interessen von Kreisen herleiten wollen, die an erneuerbaren Energien verdienen, erteilt der Autor eine klare Absage. Doch all dies ist ihm lediglich Mittel zum Zweck, um – ausführlich und faktenreich untersetzt – Grundgedanken der wissenschaftlichen Treibhaus-Skeptiker wie die folgenden in den Fokus zu rücken: „Klimaveränderungen hat es immer gegeben und wird es immer geben. Die jetzigen Veränderungen liegen im üblichen normalen Bereich. Es ist sinnlos, sie aufhalten zu wollen. Stattdessen sollten wir uns realistisch auf sie einstellen. Ob wir in nächster Zeit mit Erwärmung oder Abkühlung zu tun haben werden, ist ungewiss. […] Der vergebliche Versuch, das Klima durch eine Reduktion der Treibhausgase zu ändern, führt zu einer gigantischen Fehlleitung von Ressourcen, die besser für andere, dringendere Zwecke aufgewandt würden.“ Das ist zugleich der eigentliche Kern der Kritik am derzeitigen Meinungsmainstream zu diesen Fragen und insbesondere an der langjährigen Klimapolitik der Bundesregierung.
Die Frage, wie das Fazit laute, wenn diese Kritik zutreffe, stellt Weißer allerdings nur rhetorisch, denn eine Antwort ohne Wenn und Aber gibt er selbst: „Das würde bedeuten, dass wir es bei der gesamten Debatte um den Klimawandel mit einer gigantischen Seifenblase, mit einer bloßen grundlosen Massenhysterie, zu tun haben.“

Ulfried Weißer: Die Klimakatastrophe – ein Fehlalarm? Die kritischen Stimmen mehren sich, Diplomica Verlag GmbH, Hamburg 2012, 374 Seiten, 49,50 Euro.